: Kommerzheini Udo Lindenberg
betr.: „Die nuschelnde Nachtigall“
Nichts gegen die Eloge auf Udo Lindenberg, mit der Thomas Winkler und die taz sich an den aktuellen Chartserfolg von „uns Udo“ dranhängen. Aber wenn Thomas Winkler schreibt, dass Lindenberg in den frühen 70er Jahren die Poptauglichkeit der deutschen Sprache nachwies, ist das pophistorische Geschichtsklitterung.
Die nicht unbekannte Berliner Band Ton Steine Scherben und ihr Sänger/Gitarrist/Texter Rio Reiser hatten 1971 bereits die Single „Macht kaputt, was euch kaputt macht/Wir streiken“ und die LP „Warum geht es mir so dreckig“ draußen, da sang Lindenberg auf seiner ebenfalls 1971 erschienenen ersten LP „Udo Lindenberg“ noch englisch. Das wollte keiner hören. Die Scherben schon – auch ohne Plattenfirma im Hintergrund verkauften sie Single und LP etliche 10.000-mal, während Udo von seiner 1972 erschienenen deutschsprachigen LP „Daumen im Wind“ nur 7.000 Stück loswurde.
Zumindest im Rock-, und Ende der 70er/Anfang der 80er auch im Punkkontext waren TSS nicht weniger stilprägend als der damals in der linken Szene vielfach als Lachnummer geltende Udo. TSS hatten 1970 mit der David-Volksmund-Produktion außerdem das zweite (das erste war das Jazzlabel FMP 1969!) musikereigene Label gegründet und waren also auch in Sachen Musikdistribution Vorreiter, während Udo – um in seiner eigenen Diktion zu bleiben – lebenslang ein Kommerzheini blieb. BERNHARD JUGEL, München