NPD stolpert über Geschichte

Mit „roten Stolpersteinen“ wollen NPD-Abgeordnete in vier Bezirken an Opfer der sowjetischen Besatzung erinnern – sogar in Neukölln, das amerikanisch besetzt war

Die NPD will in dieser Woche wieder einmal die deutsche Geschichte umdeuten. In allen vier Berliner Bezirken, in denen sie Bezirksverordnete stellt, bringen diese den Vorschlag zur Abstimmung, „eine Aktion rote Stolpersteine gegen das Vergessen“ zu initiieren. Laut Antrag, der heute in Neukölln und morgen in den drei Ostbezirken auf der Tagesordnung steht, sollen vor Häusern, in denen Opfer der sowjetischen Besatzung wohnten, Stolpersteine mit Namen und Schicksalen der Opfer angebracht werden. Schulen und Jugendeinrichtungen sollen in die braune Erinnerungskultur einbezogen werden.

Die rechtsextreme Partei hat dafür nahezu gleichlautende Anträge in die Bezirksversammlungen (BVV) Marzahn-Hellersdorf, Lichtenberg, Treptow-Köpenick und selbst in Neukölln eingebracht. Der dortigen NPD ist wohl nicht einmal aufgefallen, dass der Bezirk zur amerikanischen Besatzungszone gehörte. In der Begründung der Anträge ist von „zahlreichen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ die Rede, die die Rote Armee nach ihrem „Einfall“ in Berlin gemeinsam „mit kollaborierenden deutschen Kommunisten“ begangen hätte. Mit den „Stolpersteinen“ will die NPD der „Verharmlosung und Umdeutung des sowjetkommunistischen Terrors als Befreiung“ entgegenwirken.

In allen BVV werden die anderen Fraktionen diese Anträge zurückweisen. Der Lichtenberger Grüne Michael Heinisch erklärt: „Der Antrag ist eine provokante Frechheit. Es gibt andere Methoden, der Opfer der Besatzungszeit zu gedenken, als mit einem Plagiat jener Stolpersteine, die an NS-Opfer erinnern.“ Heinisch sähe solche roten Stolpersteine als eine „Relativierung der Verbrechen des Dritten Reiches“. Der Linken-Fraktionschef in Marzahn-Hellersdorf, Klaus-Jürgen Dahler, will das Podium der BVV nutzen, „um daran zu erinnern, wer der Kriegsverursacher war und wer die Befreier waren. Der Antrag ist in meinen Augen eine Provokation der Nazis kurz vor dem Jahrestag des Kriegsendes am 8. Mai.“

Auch in Treptow-Köpenick sind sich die anderen Parteien einig, den Antrag zurückzuweisen. „Er ist populistisch und zeigt, dass die NPD in der Bezirkspolitik nicht angekommen ist“, sagt CDU-Fraktionschef Christian Schild. „Die demokratischen Parteien haben sich bereits sehr intensiv mit der Geschichte des Bezirkes auseinandergesetzt und schon vor Jahren Gedenktafeln an historischen Orten für die Opfer der Besatzungszeit initiiert.“

Der CDU-Politiker weist auf das geringe Interesse der NPD an Bezirksthemen hin. In Treptow-Köpenick sitzen der NPD-Bundesvorsitzende Udo Voigt und Landeschef Eckart Bräuninger in der BVV. „Sie kommen fast nie zu Ausschusssitzungen und sie kennen die Gegebenheiten vor Ort so gut wie nicht.“ MARINA MAI