: Chinesen färben Canberra rot
Während des weitgehend störungsfreien olympischen Fackellaufs durch die australische Hauptstadt Canberra fallen chinesische Zuschauer durch ihre Aggressivität gegenüber Tibet-Demonstranten auf
AUS CANBERRA URS WÄLTERLIN
Ob auf Brücken, am Seeufer oder vor dem Parlamentsgebäude: In Canberra dominierte am Donnerstag die Farbe Rot. Teile der australischen Hauptstadt waren fast bedeckt von tausenden chinesischen Flaggen. Ein Beobachter meinte, es sehe aus, als ob Mao auferstanden und „auf einem neuen, langen Marsch“ sei. Tausende, wenn nicht zehntausende von Chinesen und Australiern chinesischer Abstammung waren nach Canberra gekommen, um die olympische Flamme auf ihrem kurzen Besuch zu begleiten. Die vielen Chinesen, ließen bei Beobachtern das Gefühl aufkommen, es handle sich mehr um eine politische Machtdemonstration als um einen Sportanlass.
Die Aggressivität, mit der junge und alte Chinesen die wenigen Menschenrechtsdemonstranten niederschrien, erschreckte. „Ich bin schockiert“, sagte Pina Collins, eine von wenigen nicht chinesischen ZuschauerInnen entlang der Strecke zum Parlamentsgebäude. Auch Katherine Nesbitt aus Sydney, die ein Schild von amnesty international trug, war überrascht: „Wir sind völlig in der Minderzahl.“ Eine andere Tibet-Demonstrantin fühlte sich „wie mit einer Armee konfrontiert“. Einige tibetische Mönche wurden von Fahnen schwenkenden Chinesen als „Lügner“ beschimpft.
Schon vorab gab es Gerüchte, Chinas Botschaft habe den Transport regierungstreuer Chinesen nach Canberra organisiert. Pekings Vertretung dementierte. Befragte Studenten bestätigten aber, auf Kosten chinesisch-australischer Freundschaftsorganisationen angereist zu sein.
Der Ministerpräsident von Canberra, Jon Stanhope, bezeichnete den Fackellauf als „Erfolg“. Ob die Öffentlichkeit das auch so sieht, muss sich noch zeigen. Die Medien könnten von einem politischen Überfall auf das sprechen, was den meisten Australierinnen und Australiern fast heilig ist: Sport. Dabei wäre es für die 600.000 in Australien lebenden Chinesen gerade jetzt wichtig, sich dem Rest der Bevölkerung anzunähern. Die Sorge über Chinas wachsenden Einfluss auf Australiens Wirtschaft nimmt zu.
Der Lauf verlief ohne wesentliche Zwischenfälle. Ein Mann versuchte, den Weg eines Fackelläufers zu blockieren, wurde aber von Polizisten rasch entfernt. Die massiv aufgebotene Polizei versuchte, Chinakritiker und Fahnenschwenker auseinanderzuhalten. Es gab insgesamt sieben Festnahmen. Die wegen ihres harten Eingreifens in London und Paris kritisierten chinesischen Fackelwächter durften nicht einschreiten.