piwik no script img

Archiv-Artikel

HipHop kuschelt

Rap lebt vom Medienspektakel. Rap inszeniert das Medienspektakel auch. Trotzdem gebärden sich HipHopper, als wären sie Mitglieder einer verschwörerischen Geheimloge, über die eine außen stehende Medienmeute nur falsche Urteile fällen könne. Man fühlt sich reduziert auf Gewalt, Gangstatum und Porno und hatte sich daher in letzter Zeit in die Schmollecke begeben. Zuvor wurde mit ebendiesen Themen kräftig Kasse gemacht. Inzwischen schlagen die Wortakrobaten in Szeneorganen sanftere Töne an: Wir wollen nicht mehr nur als testosterongebeutelte Dumpfbacken wahrgenommen werden, heißt es etwa im Magazin Juice. „Respekt“, forderte Samy Deluxe bei der Veranstaltung „Hip Hop spricht“. Vier Stunden lang ging es am Samstag im Postbahnhof um den aktuellen Stellenwert des deutschen HipHop, jenseits aller Gewalt- und Sexismusdebatten. Die Granden des deutschen Rap waren geladen: Torch, Dendemann und DJ Dynamite. Gangsta, die zwielichten Gestalten und Skandalinskis, blieben aber draußen. Einziger Battlestyler war der Frankfurter Azad, der sich selbst als „Straßenrapper“ bezeichnete. Mehr Kontroverse war bei dieser Podiumsbesetzung nicht zu erwarten. Sexistische Äußerungen hätten nur den Namen des Sponsors, einer Firma für „drei Tage wach“-Brause, beschmutzt. Stattdessen wurde gekuschelt wie in der Johannes-B.-Kerner-Show. Auf harmlose Fragen kamen erwartbare Antworten, zu nahe getreten wurde niemand. Ob es nicht erstrebenswert sei, als deutscher Produzent auch einmal den gottgleichen Status eines Timbaland zu erlangen, samt dessen Dagobert-Duck-Geldbädern, wollte der Moderator an einer Stelle wissen. „Nein, ich bleibe lieber ein kleiner Beatdealer, knapp über Hartz-IV-Niveau“, hätte die Antwort lauten müssen, aber sie kam leider nicht. Immerhin wurde festgestellt, dass wir unseren Timbaland ja bereits hätten, nämlich in der Produzentenwunderwaffe Dieter Bohlen. Man bekam fast ein wenig Mitleid mit der deutschen Rapszene. „Hip Hop spricht“ war Gipfeltreffen, Nostalgieveranstaltung (Torch: „Ich war damals Tänzer“) und Workshop zusammen. Vor allem aber Forum für Dampfplauderei. Der Torch wollte da nochmals bekräftigen, wie super er es fände, dass der Azad sagte, wie wichtig es sei, dass es beim HipHop nicht nur um das Business gehen sollte. Alle nickten: wirklich wahr, super Einstellung vom Azad! Samy Deluxe deklamierte: „HipHop kann niemals sterben.“ Fand auch jeder richtig. Irgendwann kam die Frage, ob die geladenen Deutschrapper eigentlich auch ihre eigene Musik hören würden. Deutscher Rap? Nein, freiwillig hört sich diese Musik keiner an.

ANDREAS HARTMANN