REFORMEN IN IRAN KANN NUR DIE ZIVILGESELLSCHAFT ERREICHEN : Die falsche Wahl
Wie erwartet, haben die Konservativen bei den Stichwahlen zum iranischen Parlament am Freitag ihre absolute Mehrheit ausgebaut. Doch die Wahlen in der Islamischen Republik sind eine Farce, weil der mächtige Wächterrat bereits im Vorfeld sämtliche politisch nicht genehmen Bewerber ausgrenzt. Nichtsdestotrotz lassen sich aus diesen Wahlen Schlüsse ziehen, die für die Zukunft Irans von Bedeutung sind.
Vor allem: Offenkundig kann Revolutionsführer Ali Chamenei nur noch durch Manipulationen und Betrug seine Getreuen ins Parlament bringen. Die Zeiten, in denen die Massen jede Anweisung des Revolutionsführers Ajatollah Chomeini unwidersprochen befolgten, sind längst vorbei. Heute muss Chamenei alle Instrumente der Macht einsetzen, um ein Parlament zu bestimmen, das ihm gegenüber loyal ist. Dabei wird der Kreis der Leute, auf die er zählen kann, immer kleiner. Daher wurden nicht nur profilierte Kandidaten der Reformer, sondern auch eine ganze Reihe Konservative aus der Wahl ausgeschlossen.
Aufschlussreich ist auch die Wahlbeteiligung. Nach offiziellen Angaben lag sie in der ersten Runde bei 50 Prozent und bei der Stichwahl bei weniger als 25 Prozent. Die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung ist also nicht mehr bereit, das System mitzutragen. Die Staatsführung hat ihre Basis und ihre Autorität längst verloren.
Schließlich machen die Wahlen deutlich, dass der Versuch der Reformer gescheitert ist, den Gottesstaat durch die Teilnahme an den Wahlen zu erneuern und zu einem Kurswechsel zu bewegen. Die wenigen Reformer, denen der Einzug ins Parlament erlaubt wurde, werden wie ihre Kollegen in der vergangenen Wahlperiode, nur eine Alibifunktion erfüllen. Weitere vier Jahre lang wird das Parlament bloß ein williger Gehilfe der Regierung und des Revolutionsführers sein. Wer im Iran tatsächlich Reformen, Demokratie und Freiheit anstrebt, sollte endlich begreifen, dass sein Adressat nicht die Instanzen der Macht sind, sondern die große iranische Zivilgesellschaft und jene fast achtzig Prozent Wahlverweigerer. BAHMAN NIRUMAND