: Ein bisschen linke Ostifizierung
Auf einer Ostdeutschland-Konferenz versucht die Lafontaine-Partei, ostdeutsche Perspektiven aufzuzeigen
DRESDEN taz ■ „Hat der Osten die Chance auf eine eigene, selbsttragende Entwicklung?“ Das sei die zentrale Frage, rief die sächsische Landesvorsitzende der Linken, Cornelia Ernst, zu Beginn der „Ostdeutschland-Konferenz“ ihrer Partei aus. Doch im Verlauf des Freitagnachmittags und des Sonnabends war im Dresdner Tagungshotel keine größere Ignoranz gegenüber dieser Zentralfrage denkbar.
Die Bosse der Linkspartei spulten überwiegend ihr tagespolitisches Repertoire herunter, Oskar Lafontaine noch mehr als Gregor Gysi. Aus den Arbeitsgruppen kam auch nicht mehr als eine Mischung aus DDR-Nostalgie und vagen neuen Leitbildern für den Osten.
So richtig als analytisch-strategische Zukunftskonferenz sei die Veranstaltung auch gar nicht gemeint gewesen, war am Rande zu erfahren. Es ging zum einen darum, der nach der Vereinigung schleichenden „Wessifizierung“ der Linken wieder einmal einen ostdeutschen Akzent entgegenzusetzen. Dafür bot sich Dresden an, weil hier am 8. Juni ein neuer Oberbürgermeister gewählt wird. Der linke Kandidat Klaus Sühl, ehemals Staatssekretär in Mecklenburg-Vorpommern und in Dresden kaum bekannt, kann Rückenwind brauchen. Sühl scherte sich kaum um das an in Anlehnung an einen Slogan aus Walter Ulbrichts Zeiten gewählte Thema „Überholen ohne einzuholen“ und verharrte im Umkreis des Elbtalkessels.
Oskar Lafontaine dagegen holte weit in die Welt zum Rundumschlag gegen die Finanzkrise aus und stieg dann zu nationalen Renten-, Produktivitäts- und Lohnfragen herab. Gregor Gysi lieferte, was man von ihm erwartete. Witzgespickte Stärkung ostdeutschen Selbstbewusstseins über die „Es war nicht alles schlecht-Schiene“ und Schimpfen auf die „ostblinde und desinteressierte Bundesregierung“.
Ein bisschen Substanz zumindest war von der Bundestagsabgeordneten Gesine Lötzsch zu hören. „Wir als Linke wollen dritte Wege“, sagte sie. Die Arbeitsgruppen befassten sich mit Privatisierung versus öffentliche Daseinsvorsorge, Mindestlöhnen und einem neuen Blick auf die mittelständischen Kleinkapitalisten. Für die Zentralfrage aber, räumte eine Parteisprecherin ein, habe man kein schlüssiges Konzept. MICHAEL BARTSCH