: Der Flummi und der Überflieger
Wirtschaftssenator Uldall und Wissenschaftssenator Dräger verlassen den Senat. Der eine geht in Rente, der andere zur Bertelsmann-Stiftung, die seine Erfahrung als Hochschulreformer schätzt
Fünf, sechs Jahre lang durfte Jörg Dräger schalten und walten wie er wollte. In einem Parforceritt krempelte der heute 40-Jährige die Hochschulen um wie keiner in den 30 Jahren zuvor. Er schaffte die demokratische Selbstverwaltung ab und die Frauenquote gleich mit, nahm den ASten ihr allgemeinpolitisches Mandat und installierte externe Räte, die fortan die Präsidenten aussuchen durften – die Hochschulen kamen an die Leine. Dräger führte Studiengebühren ein und trug die ebenso lebendige wie unbequeme Hochschule für Wirtschaft und Politik (HWP) zu Grabe.
Er plante den Abbau von Studienplätzen, obwohl klar war, dass den Unis doppelte Abiturientenjahrgänge ins Haus stehen. Er versprach Klasse statt Masse und erhielt dafür den uneingeschränkten Beifall der bürgerlichen Medien.
Er drohte mit der Halbierung der Geisteswissenschaften, wollte Fächer wie Soziologie und Journalistik streichen und setzte damit die Hochschulen unter Druck, die ihren Widerstand gegen das Bachelor-Master-System aufgaben. CDU-Bürgermeister von Beust lobte Dräger wiederholt wegen seines Ideenreichtums und seines Reformfleißes.
Dann war die Glückssträhne vorbei: Die Kritik aus den Universitäten drang auch in konservativen Kreisen durch. Als der Parteilose mit einer Studie zur „Talentstadt“ aufwartete, wurde das von der CDU-geführten Wirtschaftsbehörde zerpflückt – und Dräger zum Gespött. Auch bundesweit litt sein Ruf. Bei einem Ranking des Deutschen Hochschulverbands wurde seine Politik bedacht – mit einer Fünf minus. KAIJA KUTTER
Die stressigste Phase in der Amtszeit des scheidenden Wirtschaftssenators Gunnar Uldall (CDU) dürfte der Kampf um das Aluminium-Werk 2005 gewesen sein: Der Ex-Unternehmensberater fand mit Hilfe von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) einen Käufer – er scheiterte trotzdem.
Uldall wirkt wie ein Flummi: klein und rund. Stets dynamisch auftretend, machte er nicht den Eindruck, als müsse er mit 67 in Rente gehen. Als er die Wirtschaftsbehörde übernahm, ließ er sich auch die Zuständigkeit für den Arbeitsmarkt geben. Uldall lenkte einen Teil der Fördergelder um: Statt Stellen zu subventionieren, förderte er Investitionen. Er führte einen Kombilohn für neu eingestellte Arbeitslose ein, das „Hamburger Modell“, bei dem Lohnkostenzuschüsse an den Arbeitnehmer und den Arbeitgeber gezahlt werden. Ob dadurch auch Arbeitsplätze entstanden, ist schwer zu sagen.
Unter Uldalls Ägide sank zunächst die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, während die Zahl der ohne Sozialversicherung Arbeitenden stieg. Dass die Lage am Arbeitsmarkt in jüngster Zeit insgesamt besser geworden ist, verdankt Hamburg vor allem der guten Weltkonjunktur und seinem Hafen. Uldall ergriff die Chance und förderte die Logistik-Branche – um den Preis des Flächenfraßes.
Er wollte die Elbe vertiefen und biss auf Granit: bei den Niedersachsen, die um ihre Deiche fürchten, und wegen der hydrogeologischen Probleme eines weiteren Eingriffs in den Strom. Wie das Planverfahren zu Ende gebracht wird, kann Gunnar Uldall jetzt egal sein .GERNOT KNÖDLER