Österreichs dienstältester Parteichef

Bereits zum sechsten Mal in Folge wurde Alexander Van der Bellen am Sonntag auf dem Bundeskongress der österreichischen Grünen zum Parteichef gewählt. Der 64-Jährige will auch bei den nächsten Nationalratswahlen, die spätestens 2010 anstehen, als Spitzenkandidat antreten.

Obwohl es niemand wagte, sich als Gegenkandidat aufstellen zu lassen, ist der dienstälteste Parteichef Österreichs nicht mehr unumstritten. 81 Prozent Zustimmung war denn auch sein bisher schwächstes Ergebnis. Zu oft zitierten ihn die Medien in letzter Zeit mit Äußerungen, die bei der Basis mit Kopfschütteln bis heller Aufregung aufgenommen wurden. So vertrat er jüngst die Ansicht, eine Koalition mit der ÖVP würde den Grünen derzeit „leichter fallen“.

Die Ökopartei steht zwar in funktionierenden Allianzen mit den Konservativen im Land Oberösterreich und den Landeshauptstädten Graz und Bregenz, doch von der Bundes-ÖVP trennen sie tiefe Gräben, etwa in der Zuwanderungspolitik, der Bildungspolitik oder der Frage der Gleichstellung von Homosexuellen. Auch Spekulationen über eine Dreierkoalition mit Haiders BZÖ, dem politischen Antipoden der Grünen, sorgten für Verwunderung.

Van der Bellen ist einer der erfolgreichsten politischen Quereinsteiger: Seine SPÖ-Mitgliedschaft gab er 1985 zurück, als die rot geführte Regierung sich entschlossen zeigte, die Hainburger Au am Donauufer abholzen zu lassen, um ein Wasserkraftwerk vor den Toren Wiens zu errichten. Die erfolgreiche Protestbewegung war auch die Geburtsstunde der Grünen.

Van der Bellen, der als ordentlicher Professor für Volkswirtschaftslehre von der Universität Wien beurlaubt ist, vertritt ein orthodoxes Wirtschaftsmodell und unterscheidet sich auch durch seinen bürgerlichen Lebensstil von der grünen Kernwählerschaft. Aber sein besonnenes Auftreten und seine Art, Journalistenfragen ehrlich zu beantworten, machen ihn zu einem der beliebtesten Politiker, über die Parteigrenzen hinaus. Jeder dritte Grünwähler stimmt weniger für die Partei als für deren Chef. In den über zehn Jahren seiner Obmannschaft hat der notorische Kettenraucher Van der Bellen seine Fraktion von 4,8 Prozent auf 11 Prozent im Nationalrat katapultiert.

Doch intern wird zunehmend kritisiert, dass die Partei zu alt und zu wenig angriffslustig geworden sei. Auf dem Parteitag in Tirol wurde jetzt ein klareres soziales Profil beschlossen: Man will enttäuschten SPÖ-Wählern ein Angebot machen. Und Van der Bellen macht kein Geheimnis daraus, dass er die Grünen noch zu einer Regierungsbeteiligung führen will. RALF LEONHARD