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Archiv-Artikel

In Innsbruck nur bei Tageslicht

Was ein echter Tiroler ist, der fühlt sich auf der Skipiste wohler als im Stadion. Vielleicht wird gerade deshalb die größte Leinwand der EM am Fuß einer Sprungschanze aufgestellt – vor der Kulisse der imposanten Nordkette mit ihren 2.500 Meter hohen Gipfeln

EM-TIPPS ZU INNSBRUCK – MIT EINGEBAUTEM ALPENPANORAMA

Zimmerbuchungen und allgemeine Informationen: www.innsbruck.info Alles über das Fancamp (preiswerte Übernachtung): www.fancamp-innsbruck.at

Zum Public Viewing und dem Bergisel-Stadion: www.bergisel.info – und zu den Bergbahnen: www.nordpark.com

Wer sich vom Fußballtrubel erholen will, findet in der Umgebung unzählige Ausflugsziele, vom Badesee bis zum Hochgebirge, vom Alpenzoo bis zu den Kristallwelten. Und auch die Museen haben einiges zu bieten: vom Kenotaph Kaiser Maximilians I. in der Hofkirche bis zum Glockenmuseum.

Für Unternehmungslustige empfiehlt sich die Innsbruck Card, die nicht nur zum Besuch aller Museen, sondern auch zur Benutzung der öffentlichen Verkehrsmittel berechtigt. Allein für die Fahrt aufs Hafelekar mit der Nordkettenbahn rechnet sich die Karte. Preis: 35 Euro für 72 Stunden. RLD

VON RALF LEONHARD

Wer sich heute in Innsbruck als Fußballfan versteht, braucht eine harte Haut. Der kleine Fanartikelladen in einer schmalen Seitengasse der Maria-Theresien-Straße wird offenbar kaum von Menschen überrannt, die grün-weiße Wimpel des FC Wacker oder Poster der Heimmannschaft erwerben wollen. Das legt ein in die Scheibe geklebtes Schild nahe: „Wir führen hier keine ÖFB-Artikel, keine Euro 08-Fanartikel und keine Karten für Europameisterschaftsspiele!!!“ Das Wort „keine“ ist jeweils dick unterstrichen.

Erst vor wenigen Jahren wurde Wacker Innsbruck, gerade erst österreichischer Meister geworden, wegen eines Finanzskandals, der den Konkurs nach sich zog, in die Regionalliga zwangsversetzt. Jetzt hat sich die Traditionsmannschaft neuerlich den wohlverdienten Abstieg aus der österreichischen Bundesliga erspielt. Was ein richtiger Tiroler ist, fühlt sich ohnehin auf den Skipisten besser aufgehoben als im Fußballstadion. Dennoch wird Innsbruck im Juni zu einem der vier österreichischen Austragungsorte für die EM 2008.

Die Tiroler Hauptstadt mag zwar nicht durch Spitzenleistungen auf dem Gebiet des runden Leders auffallen, doch für die Europameisterschaft hat die zweimalige Austragungsstätte Olympischer Winterspiele (1964 und 1976) einige Superlative zu bieten. Die Fanmeile erstreckt sich tatsächlich fast über eine Meile: vom Goldenen Dachl im spätgotischen Zentrum bis zum Triumphbogen am Ende der barocken Maria-Theresien-Straße. Bei schönem Wetter kann man vom Goldenen Dachl aus den von der Stararchitektin Saha Hadid entworfenen kühn geschwungenen Sprungturm der Berg-Isel-Schanze erkennen.

In der Arena der Schanze, dort, wo der Auslauf der Skispringer ist, wird die größte Leinwand der EM montiert: 84 Quadratmeter ist sie groß. 15.000 Fans werden im Amphitheater auf dem Berg Isel gratis die Übertragungen sehen können. Da die Innsbrucker Spiele bei Tageslicht ausgetragen werden, kann man gleichzeitig die imposante Nordkette mit ihren 2.500 Meter hohen Gipfeln auf sich einwirken lassen.

Dort wurde die laut Werbung „steilste Fanmeile der Welt“ eingerichtet. Die Seegrube auf 1.905 Meter Seehöhe lockt vor allem Manager mit dicken Brieftaschen an. In einem VIP-Zelt kann man für seine Geschäftsfreunde einen Tisch reservieren und gegen schlappe 280 Euro pro Person die Fußballhelden als Hintergrund zu einem gepflegten Abendessen laufen lassen.

Die Nordkettenbahn und eine Seilbahn bringen die Besucher in 20 Minuten vom Stadtzentrum auf die Seegrube. Während der EM werden diese Bahnen bis Mitternacht in Betrieb sein. Auch Normalverbrauchern wird auf der Seegrube etwas geboten: in weniger exklusivem Ambiente, dafür aber erschwinglich. Der Blick auf das nächtliche Innsbruck kann auch den Billiggästen nicht genommen werden.

Schon Anfang April war Innsbruck für die Dauer der Europameisterschaft hoffnungslos ausgebucht. „Im Umkreis von 30 Kilometern ist kein Zimmer mehr zu haben“, freut sich Hans Reichl von der Zimmervermittlung Innsbruck. Allerdings schränkt er sofort ein: „Die Buchungslage ist eine Momentaufnahme, die wahnsinnig viel Luft enthält.“ Denn viele Fans hätten über verschiedene Reisebüros reservieren lassen. Doppelbuchungen seien fast die Regel. Außerdem gebe es ja nicht nur die Hotels in der Stadt, sondern auch unzählige kleine Frühstückspensionen in umliegenden Gemeinden, die verkehrstechnisch gut angebunden sind. Während der WM werden die Busse und Straßenbahnen 24 Stunden verkehren, versichert Roberto Montagna vom Innsbrucker Tourismusbüro.

Innsbruck habe ein glückliches Los gezogen, da ist sich der Manager sicher. Hier spielen die Mannschaften der Gruppe D: Schweden, Spanien und Russland. Für die Begegnungen mit dem regierenden Europameister Griechenland müssen sie nach Salzburg reisen. So sind es vor allem Fans aus Schweden und Spanien, die in Innsbruck erwartet werden. 45 Prozent der Buchungen seien aus Schweden gekommen, weiß Roberto Montagna, 20 Prozent aus Spanien. Russische Besucher werden wegen der größeren Distanz und vor allem der Visapflicht weit weniger zahlreich vertreten sein. Wenn sie kommen, dann bleiben sie allerdings gleich eine Woche. Schweden wollen im Durchschnitt vier Tage verweilen, Spanier bleiben nur eine Nacht. Der schwedische Fanclub hat in Natters, rund acht Kilometer südlich der Stadt, einen kompletten Campingplatz gemietet.

Aber auch für all jene Rucksackreisenden, die noch keine Vorkehrungen getroffen haben, ist vorgesorgt. Das Organisationskomitee hat die Messehalle unweit des Zentrums im Stadtteil Saggen angemietet. Dort wird eine Halle mit Kojen ausgerüstet, wo drei Stockbetten und sechs Spinde Platz finden. Die Nacht ist für 25 Euro zu haben. Wem auch das noch zu teuer ist, der kann für 15 Euro in einer anderen Halle seine Isomatte und seinen Schlafsack ausbreiten. Daneben befindet sich auch das einzige Public Viewing unter Dach. Anders als die Fanmeile in der Stadt, wird dieser Bereich nicht um Mitternacht geschlossen, sondern Unterhaltung bis sechs Uhr früh bieten.

Die Nacht durchmachen kann man auch auf der sogenannten Bogenmeile, die gleich daneben eine Vielfalt von Kneipen und kleinen Restaurants unter den Viaduktbögen für eher jugendliche Klientel bietet. „Die Biervielfalt“, wie Martin Schnitzer vom Organisationskomitee es bezeichnet, ist aber nicht nur in den vielen kleinen Lokalen gewahrt, sondern auch auf der Fanmeile der Maria-Theresien-Straße. Das Exklusivrecht der Uefa-Sponsoren, und darauf ist Schnitzer besonders stolz, gilt nur für die Berg-Isel-Arena.

Wer dem Trubel entkommen will, kann von der Seegrube noch 400 Höhenmeter weiter mit der Seilbahn fahren oder über Klettersteige erklimmen. Vom Hafelekar nach Norden erschließt sich dem Betrachter das Karwendelgebirge völlig menschenleer und fußballfrei.