: Serbiens kleiner Slobodan
Das Kinn vorgestreckt, den Kopf leicht erhoben, mit energischem Blick. Der Ton der Stimme ist hochmütig, einzelne Silben werden besonders betont, damit die Worte ja nicht ihre Wirkung verfehlen. So trat Serbiens Präsident und Chef der Sozialisten, Slobodan Milošević, auf. Und der junge Ivica Dačić machte es seinem Idol bis ins kleinste Detail nach. Das brachte ihm Anfang der 90er-Jahre den Spitznamen „kleiner Sloba“ ein, als er die jungen Sozialisten in Belgrad anführte.
Bald wurde Dačić Pressesprecher der Sozialistischen Partei Serbiens (SPS). Der Musterschüler, der in Belgrad das Fach Politologie mit Auszeichnung abschloss, trat bis zum Regimesturz 2000 als Stimme seines Herrn auf. Als junger Mann gehörte er zwar nicht zur engsten Partei- und Staatsspitze, war aber jemand, auf den Milošević zählen konnte.
Das blieb auch so, als sich die SPS immer mehr in eine nationalistische Bewegung verwandelte. Dačić sprach von den gerechtfertigten Feldzügen der von Milošević kontrollierten jugoslawischen Armee, die das von kroatischen Faschisten bedrohte serbische Volk in Kroatien beschütze. Er glorifizierte die „Befreiung“ von Vukovar, fand nichts an der Belagerung von Sarajevo und verschwieg den Völkermord an über 7.000 Muslimen in Srebrenica.
Ebenso wie die serbischen Medien bezeichnete er die bürgerliche Opposition als Spione, schürte Xenophobie und verbreitete Theorien über die Weltverschwörung gegen das freiheitliche serbische Volk. Er blieb der Partei treu, die hinter politischen Morden stand, das Land ausplünderte und permanent Wahlen fälschte.
Der heute 42-Jährige rechtfertigt immer noch die Politik von Milošević. Als Parlamentsabgeordneter pflegte er immer wieder zu betonen, dass die demokratischen Kräfte nach der Wende Serbien im Auftrag des Westens ausplünderten und öffentliche Betriebe und Banken zu Spottpreisen verkauften.
Nachdem sein Chef dem UNO-Tribunal für Kriegsverbrechen überstellt wurde, wollte er ihm aber nicht mehr gehorchen. Er behauptete sich bald als der eigentliche Führer der SPS. Als Dačić 2004 die Minderheitsregierung von Vojislav Koštunica unterstützte, wurde die SPS praktisch rehabilitiert.
Dačić ging eine Koalition mit der Rentnerpartei und der Partei Einheitliches Serbien ein und erreichte das beste Resultat der SPS nach der Wende. Er will einer Regierung beitreten, die „für die territoriale Integrität und soziale Gerechtigkeit kämpft“. Damit bleibt er offen für Gespräche mit allen Seiten. Der zweifache Vater wird nun beweisen müssen, dass er sein Studium nicht umsonst mit der Bestnote absolviert hat.
ANDREJ IVANJI
ausland SEITE 11