: „Die Leute gehen in den Asyllagern kaputt“
Die Asylbewerberzahlen sind am Boden – die Situation in den Flüchtlingsheimen auch, kritisiert Tobias Pieper
TOBIAS PIEPER lehrt an der FU Berlin und hat über Asyllager promoviert.
taz: Herr Pieper, leben Flüchtlinge in privat betriebenen Asylheimen schlechter?
Tobias Pieper: In der Regel ja. Den privaten Betreibern geht es nur um Profit. Jede Verbesserung der Lebensbedingungen kostet Geld – und wird deshalb vermieden. Betreuungspersonal wird oft nicht eingestellt. Einige Heime werden allerdings von gemeinnützigen Wohlfahrtsverbänden wie der AWO oder dem Roten Kreuz betrieben. Die haben jedoch häufig noch einen humanitären Anspruch, die Mitarbeiter sind etwas motivierter.
Ist nicht vertraglich festgelegt, welche Bedingungen gewährleistet sein müssen?
Doch. Nur ist das Asylbewerberleistungsgesetz darauf ausgelegt, den Flüchtlingen ihre Perspektivlosigkeit in Deutschland zu demonstrieren. Vor allem deshalb gibt es Lager …
… sind es tatsächlich Lager?
Wenn man so eine Massenunterkunft mitten in den Wald stellt, nenne ich das ein Lager. Aber selbst die festgelegten Standards werden dort oft unterschritten, die Verträge kaum offengelegt. Die Kommunen lassen sich da ungern in die Karten gucken. Und die Betreiber erst recht nicht.
Wie muss man sich das Leben dort vorstellen?
Als Lager werden oft stillgelegte Kasernen genutzt. Mehrere Personen teilen sich ein Zimmer, es gibt Gemeinschaftsduschen und -küchen, pro Person müssen nur 4,5 Quadratmeter bereitgestellt werden. Von Wohnen kann da keine Rede sein. Das ist mehr eine Verwahrung unter so schlechten Bedingungen, dass die Leute daran kaputtgehen. Das Verbot, einer Arbeit nachzugehen oder den Landkreis zu verlassen, tut sein Übriges.
Die Betreiber machen dafür allein die Auftraggeber, also die Landkreise und Kommunen, verantwortlich.
Damit haben sie recht. Die politische Verantwortung tragen die Gebietskörperschaften. Die könnten natürlich auch sagen: Wir suchen keine Heime, die mitten im Wald liegen, oder wir stellen genug Geld für Sozialarbeiter zur Verfügung.
Die Isolierung ist also politisch gewollt?
Natürlich. Das ist ja im Gesetz so vorgesehen: Bevor der Aufenthalt nicht geklärt ist, soll auf keinen Fall eine Integration stattfinden. Und deshalb isoliert man die Leute in solchen zentralen Lagern.
INTERVIEW: CHRISTIAN JAKOB