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Archiv-Artikel

Generalprobe im Norden

Am 25. Mai bestimmen die Schleswig-HolsteinerInnen ihre Stadt- und Gemeinderäte sowie die elf Kreistage – ein Testlauf für die Landtagswahl im Jahr 2010 und eine Chance für Schwarz und Rot

VON ESTHER GEISSLINGER

Die CDU kann nur verlieren: Bei der schleswig-holsteinischen Kommunalwahl 2003 legten die Christdemokraten um fast zwölf Prozent zu und erreichten mehr als 50 Prozent der Stimmen. Mit diesem quasi bayerischen Ergebnis straften die Schleswig-HolsteinerInnen die Bundes-SPD ab, die damals gerade gemeinsam mit den Grünen die Agenda 2010 beschlossen hatte.

Dass sich das am 25. Mai bei der anstehenden Kommunalwahl wiederholt, ist unwahrscheinlich, vor allem, weil die CDU in der Großen Koalition oft genug ihre eigene Basis verprellt hat: Sparprogramme für die Kommunen, die Verwaltungsreform, Schulpolitik, im vergangenen Jahr der Streit um die Übernahme von Schulbuskosten waren Reizthemen, bei denen christdemokratischen KommunalpolitikerInnen Sturm liefen.

Aktuell hat die Union ein Problem im Kreis Plön: Per Zeitungsanzeige forderten Ex-Parteimitglieder auf, nicht den CDU-Kandidaten, sondern die parteilose Stelleninhaberin zur Bürgermeisterin zu wählen. Mitunterzeichner des Aufrufs ist das CDU-Mitglied Frieder Henf, Ex-Staatssekretär in Mecklenburg-Vorpommern und Vorsitzender des Parteiehrengerichts im Kreis – jenes Gremiums, das über Parteiausschlüsse entscheidet. „Pikant“, schrieb die Lokalzeitung.

Doch ob die Stimmen, die der CDU potenziell verloren gehen, bei der SPD landen, ist fraglich. Zwar gab sich Parteichef Ralf Stegner beim Wahlkampfauftakt in Kiel kämpferisch und versprach, „die Scharte von 2003 auszumerzen“. Aber die SPD hat ähnliche Probleme mit der Basis wie die Union: Manchmal schien der Riss zwischen Regierung und Basis größer als der zwischen den Parteien. Stegner, seit Januar Fraktionschef im Kieler Landtag, gilt als Mitschuldiger an der schlechten Stimmung in der Koalition, und auch wenn er Themen wie die Schülerbeförderung frühzeitig besetzte, bleibt die Frage, ob bei den WählerInnen die Argumente oder der Streit hängen geblieben sind. Stegner will im Herbst den für Posten des Spitzenkandidaten antreten – er braucht ein gutes Ergebnis bei der Kommunalwahl. Aktuell will die SPD mit einem Konzept für beitragsfreie Kitas punkten, das aber nicht gegenfinanziert ist.

Bildung, vor allem die Kita-Politik, ist ohnehin eines der wichtigsten Themen im Wahlkampf: Die CDU will ein Kita-Jahr beitragsfrei machen, die Grünen treten nicht nur für kostenlose Kita, sondern auch für eine neue Änderung des Schulgesetzes ein, die FDP freut sich dagegen über eine Initiative zur Rettung der eigentlich schon totgeglaubten Realschule.

Die kleineren Parteien begünstigt, dass die Fünf-Prozent-Klausel gekippt ist. Rechnerisch wirksam wird das fast nur in den Kreistagen. Selbstbewusst verkündeten die Grünen, sie wollten in alle Kreisparlamente einziehen. In den Mittelpunkt stellt die Partei Bildungs-, Klima- und Sozialpolitik. Die FDP hat in den vergangenen Jahren auf Landesebene die Große Koalition kräftig kritisiert, die Gegenbewegungen der Basis unterstützt und setzt auch jetzt auf FrustwählerInnen: „CDU und SPD haben vor der Wahl 2005 etwas anderes versprochen“, hieß es beim Wahlkampfauftakt.

Aber die klassische Alternative in Schleswig-Holstein ist der SSW, die Partei der dänischen und friesischen Minderheit, die sich an skandinavischen Sozial- und Bildungsmodellen orientiert. Der SSW tritt zwar nur im Norden des Landes an, erreicht dort aber Ergebnisse bis zu 20 Prozent. Er hat jetzt Chancen, in den Kreistag des flächengrößten Kreises Rendsburg-Eckernförde einzuziehen. Spannend wird, wie gut die Linken sich schlagen, die erstmals bei einer Kommunalwahl dabei sind und gut 1.000 Mitglieder im Land haben. In zahlreichen Orten rechnet sich die Partei gute Chancen aus – aber innerhalb der Linken gibt es Spannungen um Personen und Posten: Bei einem Parteitag in Neumünster mahnten mehrere RednerInnen, zu Sachfragen zurückzukehren. Die NPD wirbt in mehreren Kreisen um Stimmen und in vielen Orten treten lokale Wählergemeinschaften an.