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Archiv-Artikel

Beben gefährdet Chinas Dämme

Das schwere Erdbeben hat in Chinas Südwesten zu Rissen in zahlreichen Stäudämmen geführt und damit Warnungen einiger Experten bestätigt, auf welche die Regierung zuvor nicht hören wollte

AUS DUJIANGYAN JUTTA LIETSCH

Weniger Kilometer außerhalb der 230.000-Einwohner-Stadt Dujiangyan liegt am Fluss Mijiang einer der neuesten Staudämme Chinas. Der Zipingpu liefert dem energiehungrigen Land seit zwei Jahren Strom. Doch jetzt nach dem schweren Erdbeben bedroht er die Bewohner Dujiangyans: Die gewaltige Erschütterung, die im Epizentrum im Kreis Wenchuan eine Stärke von 7,9 erreicht hatte, hinterließ tiefe Risse in der Staumauer.

Sofort schickte die Regierung 2.000 Soldaten. Sie flickten den mit Felsbrocken gefüllten Betondamm und ließen Wasser ab, um den Druck auf die Staumauer zu verringern. Bald gab es Entwarnung: keine akute Gefahr mehr.

Der Zipingpu ist einer von 400 Dämmen in der Region, die beim Beben beschädigt wurden. Darunter sind zwei große und 28 mittlere Staumauern. Im Staatsfernsehen berichtete der Chef eines großen Stromversorgungsunternehmens Mitte der Woche vom Taipingyi-Kraftwerk im Bezirk Wenchuan, wenige Kilometer vom Epizentrum des Bebens entfernt. Auf der Staumauer würden 110 Mitarbeiter und einige Anwohner der Region feststecken. Sie warteten auf Hilfe. Einige von ihnen seien verletzt.

Noch ist nicht klar, wie stark die verschiedenen Dämme tatsächlich betroffen sind und wie groß die Gefahr ist, die längerfristig von ihnen ausgeht. Die Sorge: Bricht ein Damm, könnten nicht nur Städte und Dörfer überschwemmt werden. Es könnte auch zur Kettenreaktion von Dammbrüchen flussabwärts kommen, da die Dämme zum Teil hintereinander errichtet wurden.

Die jüngste Katastrophe lenkt die Aufmerksamkeit auch auf ein Problem, das chinesische Umweltschützer seit langem beklagen: Vielerorts haben örtliche Behörden Staudammprojekte gegen den Rat von Experten durchgepeitscht. Und Korruption führte häufig dazu, dass auf Kosten der Sicherheit an Material gespart wurde.

Schon vor Jahren hatten Fachleute sich gegen den Zipingpu gewandt. 2001 startete das International Rivers Network eine Kampagne, die verhindern sollte, dass internationale Banken den Damm mitfinanzieren. Die Gruppe hatte nach eigenen Angaben Informationen über ein internes Treffen von Funktionären im Jahr 2000, bei dem Seismologen vor den Erdbebenrisiken warnten.

Doch die Behörden, die dringend neue – möglichst umweltfreundliche – Energiequellen erschließen müssen, um den riesigen Bedarf der Städte und Fabriken an Elektrizität zu decken, schlugen die Warnungen in den Wind. Im Herbst 2007 kam eine Untersuchung des Wasserministeriums in Peking zu dem Ergebnis, dass bis Ende 2005 fast 800 der 6.681 Stauseen in Sichuan schlecht konstruiert seien und deshalb eine Gefahr bedeuteten.

Im angrenzenden Großraum der Metropole Chongqing mit rund 30 Millionen Menschen sind durch das Beben vom Montag und die vielen Nachbeben inzwischen hunderte von Reservoirs und Bewässerungskanälen beschädigt.

Auch dürfte die Debatte über den Drei-Schluchten-Staudamm wieder aufflammen. Er liegt fast 1.000 Kilometer östlich vom Epizentrum in der Provinz Hubei am Yangtse und ist, so versichert die Regierung, gegen Erschütterungen bis Stärke 7 abgesichert. Er habe vom Beben am Montag, das dort noch Stärke 4 erreichte, keine Schäden abbekommen, versichern die Behörden.

2007 hatten Funktionäre erstmals öffentlich eingeräumt, dass der Damm enorme Probleme verursacht. Womöglich könnte dessen riesiger künstlicher Stausee aber selbst Erdbeben auslösen. Das Gewicht des aufgestauten Wassers könnte die geologischen Bedingungen in der Region verändern, warnen Experten. Von den Hängen an den Ufern des Yangtse rutscht bereits die Erde ab und gefährdet die neuen Städte.