: Die Comandante, die nicht mehr konnte
Nelly Ávila Moreno alias „Karina“, seit Jahren gesuchte Kommandantin der kolumbianischen Farc-Guerilla, hat sich am Sonntag gemeinsam mit ihrem Sicherheitschef den Streitkräften gestellt FOTO: REUTERS
Seit über 30 Jahren kämpfte sie in den Reihen der Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens (Farc), der größten Guerilla Kolumbiens. Sie hat mehr Kampfnamen als echte, und was über sie öffentlich bekannt ist, stammt von Militär oder Geheimpolizei. Nelly Ávila Moreno alias „Karina“ alias „Janet Nosquera Renteria“ alias „Rocio Arias“, zwischen 45 und 50 Jahre alt, Kommandantin der Frente 47 der Farc, hat sich am Sonntag in der Provinz Antioquia den Streitkräften ergeben. Vor zwei Wochen hatte Präsident Alvaro Uribe persönlich für ihr Leben garantiert, sollte sie sich stellen.
Die mal als 1,60 Meter, mal als 1,68 Meter groß beschriebene „Karina“, die mal 70 und mal satte 85 Kilogramm wiegen sollte, war eine der meistgesuchten Führungsfiguren der Farc. Mit den Worten „Es gibt eine Frau bei den Farc namens Karina, im Osten von Caldas, die gefangen werden muss“, soll Präsident Uribe 2003 vor Offizieren ihre Festnahme gefordert haben. Bis zu einer Million Dollar Belohnung bot die Regierung für ihren Kopf – sechs Haftbefehle waren auf sie ausgestellt.
Regierung und Militär, und mit ihnen die kolumbianischen Medien, porträtieren „Karina“ als blutrünstigste weibliche Führungsfigur der Guerilla. Schon 1983, so Medienberichte, habe sie persönlich den Geschäftsmann Alberto Uribe Sierra getötet, als der sich gegen seine Entführung durch ein Farc-Kommando gewehrt habe. Freilich: Bis heute halten sich auch Berichte, Uribe Sierra sei nicht von der Farc, sondern bei Streitigkeiten von Drogenkartellen getötet worden, für die er genauso gearbeitet habe wie sein Sohn – der heutige Präsident Uribe Velez. So steht es auch in einem teilklassifizierten Geheimdokument des Pentagon über die kolumbianischen Drogenmafias. Die offizielle Geschichte freilich sieht „Karina“ als Mörderin.
Sicher ist, dass auch „Karina“ selbst Spuren davongetragen hat: Bei der Erstürmung der Gemeinde Pavarandó in der Provinz Antioquia verlor sie 1998 das rechte Auge; zahlreiche Narben sollen von vergangenen Kämpfen zeugen. Innerhalb der Farc soll sie rasch aufgestiegen sein; der Frente 47, die in Antioquia, Caldas und Risaralda operierte, soll sie seit 13 Jahren vorgestanden haben.
Seit 2001, so Kolumbiens Verteidigungsminister nach „Karinas“ Festnahme, sei die Regierung ihr auf der Spur gewesen. Zuletzt habe sich der Kreis so eng gezogen, dass die Guerillera sich halb verhungert den Streitkräften gestellt habe. Für Präsident Uribe, zuletzt wegen Verwicklungen in einen Paramilitärskandal und Behinderung der Verhandlungen zum Geiselaustausch unter Kritik, ist die Festnahme ein großer Erfolg – und genau so soll es wohl auch aussehen. BERND PICKERT