„Die Freier werden zum Gegner“

Die Prostitutionsexpertin Emilija Mitrovic hält harte Strafen für die Freier von Zwangsprostituierten für den falschen Weg. Denn die könnten künftig Angst haben, Missstände der Polizei zu melden

EMILIJA MITROVIC, 54, ist Dozentin an der Hochschule für angewandte Wissenschaften Hamburg für den Themenbereich Prostitution und Frauenhandel. Sie verfasste für Ver.di die Studie „Arbeitsplatz Prostitution“ (2007).

INTERVIEW HEIDE OESTREICH

taz: Frau Mitrovic, Justizministerin Zypries hat vorgeschlagen, die Freier von Zwangsprostituierten hart zu bestrafen. Ist das der richtige Weg?

Emilija Mitrovic: Das bedeutet, die Freier zum Gegner zu machen. Ich halte diesen Weg für sehr schwierig. Wenn es heute überhaupt Hinweise auf Zwangslagen von Prostituierten gibt, dann kommen die oft von Freiern. Wenn diese sich strafbar machen, werden sie sich nicht mehr an die Polizei wenden. Es ist besser, die Freier aufzuklären: Sie für Hinweise auf Zwangsprostitution zu sensibilisieren und Freiertelefone einzurichten.

Die Bundesregierung setzt aufs Strafrecht. Was wäre Ihr Ansatz?

Um den Frauenhandel anzugehen, müssten ganz andere Aufklärungskampagnen und vor allem eine Enttabuisierung der Prostitution stattfinden. So lange man die Arbeitsbedingungen von Prostituierten nicht diskutieren kann, ändert sich auch nichts.

Diese Enttabuisierung sollte das Prostitutionsgesetz von Rot-Grün leisten.

Aber an der Doppelmoral hat sich nichts geändert. Prostitution ist kein „anständiger“ Beruf. Das erkennen Sie an Sperrgebietsverordnungen, Gewerbeverboten und Ähnlichem. An den Arbeitsbedingungen selbst ist da kein Mensch interessiert.

Das erhofft sich die CDU von der Freierbestrafung: Die Freier müssen sich dann für die Arbeitsbedingung der Prostituierten interessieren.

Das ist eine Illusion. Die Freier werden nicht jedes Mal die gesamte Situation einer Prostituierten erkunden, das ist unmöglich. Der einzige Weg, um diese Bedingungen zu verbessern, ist die Stärkung der Prostituierten selbst.

Und wie?

Wenn sie ein Bleiberecht bekommen würden, falls sie in einem Prozess gegen Menschenhändler aussagen, dann würden mehr Frauen sich dies trauen. Doch heute werden sie nach dem Prozess nach Hause geschickt. Da sitzt unter Umständen der Menschenhändler und will sich rächen. Unter solchen Bedingungen sagt niemand in Prozessen aus. Man müsste auch die Beratungsstellen stärken. Aber das ist natürlich teurer als so ein Gesetz.

Prostituierten-Organisationen haben eine Art Gütesiegel vorgeschlagen, für „saubere“ Bordelle. Ist das gut?

Ich weiß nicht. Wer soll das kontrollieren? Und wie soll der Bordellbesitzer oder die Kontrollinstitution sehen, ob die Papiere der Frauen gefälscht sind oder nicht? Man kann nur den Frauen selbst Instrumente an die Hand geben, sich zu wehren. Wichtig ist, dass erst mal das Prostitutionsgesetz richtig umgesetzt wird. Es gibt nur wenige Städte wie etwa Dortmund, die dafür sorgen, dass Prostituierte ihr Gewerbe anmelden können. In Hamburg zum Beispiel geht das nicht.

Über die Hälfte aller Prostituierten sind Ausländerinnen. Sie haben oft nur Touristenvisa und arbeiten deshalb illegal. Denen ist nicht geholfen, oder?

Das stimmt. Und wer nicht legal hier ist, nimmt Hilfe von Schleusern und Vermittlern an, die dann eben auch zu Menschenhandel ausarten kann. Eine Greencard, ein Visum für Saisonarbeit, solche Regelungen kann man sich überlegen, um die Migrantinnen aus der Grauzone heraus zu holen.

Sehen Sie dafür eine Chance?

Nein. Mit der CDU in der Regierung wird es keine Fortschritte geben. In der CDU versteckt man sich hinter dem Satz, Prostitution sei kein normaler Beruf. Und dann macht man Prostituierten das Leben schwer: Doppelmoral eben.