Weg mit den alten Stinkern!

Die Umweltzone kommt – durch Ausnahmebestimmungen aufgeweicht. Umweltsenator Reinhard Loske kann dem bürokratischen Monster einen „ökologischen Lenkungseffekt“ abgewinnen

von Klaus Wolschner

Gestern Nachmittag um 15 Uhr war es geschafft: Nach monatelanger Debatte stimmte die rot-grüne Koalition der stadtbremischen Verordnung über eine „Umweltzone“ zu. Erwartungsgemäß stimmte die CDU dagegen. Und die FDP? Verdattert blickte der Abgeordnete Bernd Richter auf und bekannte: „Ich habe eben geschlafen.“ Die FDP war immer strikt gegen die Umweltzone, seine Gegenstimme hätte aber auch nichts geändert.

Die Linkspartei war dagegen, weil es zu viele Ausnahmen gibt. „Sie haben sich von Industriefirmen treiben lassen“, warf Heidemarie Behrens (Linke) dem grünen Umweltsenator Reinhard Loske vor. Auch der BUND kritisiert die Menge der Ausnahme-tatbestände, allein die Verschiebung der dritten Phase auf einen Zeitpunkt nach dem nächsten Wahlkampf halbiere den Effekt, sagt BUND-Vertreterin Siecke Martin.

Der Zeitplan für die Umweltzone ist nicht nur wegen des vermuteten Wahltermins im Mai 2011 ein Politikum. Kein Mensch weiß heute, wie viele alte Autos in drei Jahren wirklich noch über die Straßen rollen. Deswegen soll auch im Jahre 2014 überprüft werden, ob die Umweltzone überhaupt noch erforderlich ist – oder aufgrund neuer EU-Richtlinien verschärft werden muss.

Dass die jetzt gefundene Regelung ein zahnloser Tiger ist und keinen Effekt haben wird, finden CDU und Handelskammer. Während die Autoauspüffe in Deutschland 2005 rund 21 Kilotonnen Feinstaub emittierten, verursachte der Zigarettenrauch sechs Kilotonnen, Feuerwerke weitere knapp drei Kilotonnen Feinstaub. Auch private Heizanlagen würden die Luft deutlich mehr belasten als der Verkehr, sagt die CDU – verlangt aber nicht drastische Maßnahmen gegen das Rauchen und alte Heizungsanlagen, sondern weniger drastische gegen Autos.

Damit der Autoverkehr möglichst wenig eingeschränkt wird, ist die Neuenlander Straße, eine der am höchsten belasteten Stellen, herausgenommen aus der Umweltzone, auch die Bürgerweide soll ohne Probleme erreichbar sein. Auf der B 75 darf man weiterhin stinken wie auch auf der St.-Jürgen-Straße beim Krankenhaus. Wer angibt, dass er zu einem Parkhaus will, darf (bis einen Monat nach der Bürgerschaftswahl, also bis zum 30. 6. 2011) mit seinem alten Diesel durch die Umweltzone fahren. Betriebe können für ihren Fuhrpark und ihre Zulieferer mit der Umweltbehörde Verträge abschließen, in denen „grüne“ LKW als Kompensation für Fahrzeuge ohne Plakette eingesetzt werden. Auch Privatleute können eine Ausnahme beantragen, wenn sie nachweisen, dass das Fahrzeug nicht nachrüstbar ist und es eine „soziale Härte“ bedeuten würde, wenn man sie sofort zur Anschaffung eines Neufahrzeugs zwingen würde.

Für die erste Stufe und die rote Plakette, die ab 1. 1. 2009 das Befahren der Umweltzone ermöglich soll, werden allein für die LKW Verwaltungskosten von 800.000 Euro kalkuliert. Für die zweite (gelbe) Stufe ab 1. 1. 2010 dann 1,6 Millionen Euro, für die dritte (grüne) Stufe ab 1. 7. 2011 insgesamt drei Millionen Euro. Die Kosten für die Plaketten müssen die Autobesitzer tragen.

Umweltsenator Loske gab sich gestern optimistisch und war zufrieden mit dem Endzustand seiner Umweltzone, die durch die von der SPD durchgesetzten Ausnahmeregelungen weitgehend durchlöchert worden ist. „Durch die Diskussion und Einführung“ der Verordnung in ihrer ganzen bürokratischen Komplexität gebe es einen „ökologischen Lenkungseffekt“, meinte er: Die Menschen würden motiviert, ihre Fahrzeuge zu erneuern.

Die Ausnahme-Verordnung im Wortlaut: www.mehr-dazu.de