Komik und Vorurteil

Das „Jewish Film Festival“ bietet die einzigartige Chance, sich hierzulande von der Vielfalt, dem Witz und dem Können aktuellen jüdischen Filmschaffens zu überzeugen: ab Sonntag im Kino Arsenal und im Potsdamer Filmmuseum

VON EKKEHARD KNÖRER

Das erste Date zwischen den Kulturen: Der jüdische Journalist Meir hat in allerbester Absicht für die arabische Israelin Amal arabisch gekocht. Sie kommt gerade vom Studium in den USA zurück, sieht sich das an und meint: „Das ist genau das, was Edward Said mit ‚Orientalismus‘ gemeint hat. Ihr legt uns fest auf das Klischee unserer selbst.“ Meir ist bestürzt und hat nicht die leiseste Ahnung, wovon sie spricht. Eine typische Szene aus „Arab Work“, der ersten Fernsehserie Israels, in deren Zentrum israelische Araber stehen. Sie sind eine Minderheit im Land – aber keine kleine. Zwanzig Prozent der Israelis sind arabischer Abstammung.

Sie leben in einer Art Parallelgesellschaft, für die sich die Mehrheit, der es an Vorurteilen allerdings nicht mangelt, wenig interessiert. Und die Araber selbst sind hin und her gerissen, wollen dazugehören und bestehen zugleich darauf, anders zu sein. Weil sie das zur besten Sendezeit im israelischen Fernsehen zeigt, ist die 9-teilige Serie eine Sensation. Und auch weil sie sich weigert, die ernste Situation in ernster Form vorzuführen: Sie präsentiert das oft schwierige Verhältnis zwischen arabischen und jüdischen Israelis als Sitcom. Im Zentrum steht eine arabische Kleinfamilie. Man sieht sie beispielsweise beim Sederabend – dem Auftakt des Pessach-Fests – bei den jüdischen Eltern eines Schulfreundes der Tochter. Sie sind beeindruckt von den Ritualen. Bei der Gegeneinladung erfinden sie, mit arabischen Traditionen alles andere als sattelfest, ein paar Sprüche und Rituale kurzerhand selbst.

Manches an der Serie ist heikel, nicht jeder Scherz gelungen und das eine oder andere Klischee wird eher bestätigt als dementiert. Die Ansichten zu „Arab Work“ gehen deshalb gerade auf arabischer Seite auseinander. Die Entschlossenheit aber, mit der die Macher die Tabus am Schlafittchen packen, um sie mit komischem Effekt heftig durchzuschütteln, ist zweifellos mehr als begrüßenswert.

Die hierzulande vermutlich ziemlich einmalige Chance, diese Serie zu sehen, bietet das diesjährige Jewish Film Festival in Berlin und Potsdam. Das Programm ist international besetzt, hat aber den Schwerpunkt „60 Jahre Israel“. Die Gelegenheit ist nicht nur politisch, sondern auch cineastisch günstig. Das israelische Kino erlebt derzeit einen erstaunlichen Aufschwung und ist bei den großen Festivals sehr präsent – in Cannes etwa wurde gerade Ari Folmans animierter Dokumentarfilm „Waltz With Bashir“ enthusiastisch aufgenommen. Und mit „My Father, My Lord“ (2007), dem Erstling von David Volach, ist beim Festival einer der ungewöhnlichsten und gelungensten israelischen Spielfilme der jüngeren Zeit zu sehen. Volach erzählt von der Familie eines ultraorthodoxen Rabbiners, der bei einem Badeunfall seinen Sohn verliert. Diese Tragödie löst der Regisseur auf in atmosphärische Bilder, in denen es auf jede Nuance ankommt. Die meiste Zeit erzählt er aus der Perspektive des Jungen, der die strengen Vorschriften des Vaters nicht immer begreift. Volach, der selbst in einer orthodoxen Familie aufwuchs, präsentiert seine Kritik am religiösen Rigorismus so sanft, formuliert seine Vorwürfe so leise, dass der Effekt umso gewaltiger ist.

Arabisch-jüdische Konflikte in Frankreich verhandelt der Film „Dans la Vie“ (2007) des in Marokko geborenen französischen Regisseurs Philippe Faucon. Er erzählt von einer an den Rollstuhl gefesselten älteren Frau, der Jüdin Esther, die ebenso aus Marokko stammt wie die Araberin Halima. Halima und ihre Tochter Selima arbeiten zunächst als Betreuerinnen der launischen Esther. Als Esthers Sohn für einen Monat verreisen muss, nehmen die Araberinnen die Jüdin, mit der sie sich angefreundet haben, kurz entschlossen zu sich. Halimas Ehemann weiß nicht, wie ihm geschieht, fügt sich aber dem Willen seiner ihn geschickt manipulierenden Frau. Die arabischen Freunde der Familie finden diese Entwicklung sehr bedenklich. Faucon entwickelt diese humanistische Parabel in glasklaren Bildern, mit einer sublimen Einfachheit seiner Mittel, die keinen Eindruck schinden will und gerade darum beeindruckt.

Schlicht und in ihrer Schlichtheit brillant ist auch die Grundidee von David Ofeks und Ron Rotems Dokumentarfilm „Hebrew Lesson“ (2006). Die beiden beobachten einen Hebräisch-Kurs für Einwanderer und verfolgen die Schicksale der Menschen, die ihn besuchen. Eine Chinesin ist darunter, die den Mann geheiratet hat, bei dem sie als Putzfrau tätig war. Oder eine Peruanerin, deren israelischer Freund sie im Stich lässt, als er von ihrer Schwangerschaft erfährt. Eine Deutsche, die sich über das völlig ungebrochene Verhältnis ihres Mannes zum Militär wundert. Es fällt so, von den Neuankömmlingen in der Gesellschaft her, ein ganz eigenes Licht auf Israel und darauf, was es heißt, in diesem Staat fremd zu sein.

„Jewish Film Festival“, vom 25. 5. bis 8. 6. im Kino Arsenal und im Filmmuseum Potsdam. www.jffb.de