Die CDU hat abgewirtschaftet

Der Lübecker CDU droht in der Kommunalwahl am Sonntag ein Desaster. Grund: Die Konservativen bekommen das Defizit nicht in den Griff und wollen den Bürgern Regionalschulen aufdrücken

2,33 Millionen Schleswig-HolsteinerInnen wählen am Sonntag in den 1089 Städten und Gemeinden des Landes ihre kommunalen Parlamente und Kreistage. Die klassischen Parteien spielen dabei eine immer geringere Rolle: Die CDU tritt nur noch in 564 Orten an, die SPD in 511 – in vielen Dörfern gibt es nur Wählergruppen. In 300 kleinen Gemeinden steht nur jeweils eine Gruppe auf dem Wahlzettel und die 26 Kleinstgemeinden wählen gar nicht: Hier bilden alle Erwachsene gemeinsam die Gemeindeversammlung. Erstmals gilt keine Fünf-Prozent-Klausel. Bei der Kommunalwahl 2003 gewann landesweit die CDU mit über 50 Prozent, die SPD kam auf 29,3 Prozent. EST

VON ESTHER GEISSLINGER

Rund um das Holstentor kündigt sich ein Erdrutsch an: Geht es nach Umfragen, werden bei der Kommunalwahl am Sonntag nur noch gut 32 Prozent der Stimmen bei der CDU landen – ein Verlust von 18 Prozentpunkten gegenüber 2003. Damals holten die Christdemokraten in der einstigen SPD-Hochburg die absolute Mehrheit. Die scheint verloren: Eine Forsa-Umfrage ergab, dass die SPD auf 34 Prozent kommen und die Union überholen würde. Die Linke käme aus dem Stand heraus auf neun Prozent, die Grünen auf zwölf, die FDP auf sechs. Außerdem treten Wählergruppen an, „Lübecker Bunt“ und „Bürger für Lübeck“, die ebenfalls Chancen haben – denn erstmals gilt keine Fünf-Prozent-Klausel mehr. Das CDU-Debakel bestätigen Umfragen von SchülerInnen: Die Jugendlichen, die 2.500 LübeckerInnen befragten, kamen sogar zu dem Ergebnis, dass die Union nur rund 27 Prozent erhalten werde. „Ich bin etwas geschockt“, sagte der Travemünder CDU-Chef Klaus Petersen den Lübecker Nachrichten.

Die Hansestadt geriet in den vergangenen Jahren wegen ihres heillos überzogenen Haushaltes, hoher Arbeitslosenzahlen und des Streits um den Hafenverkauf in die Schlagzeilen. Das Kieler Innenministerium wies den Haushalt 2008 zurück, in dem die Stadt weitere Kredite aufnehmen wollte, obwohl sie bereits auf einem Schuldenberg von 465 Millionen Euro sitzt. Kiel verlangt Sparkonzepte – die CDU-Mehrheit in der Bürgerschaft war ratlos, behauptet aber tapfer: „Unsere Hansestadt hat sich dank der soliden Politik der CDU-Mehrheit sehr gut entwickelt.“ Die Zahlen und das Gefühl der LübeckerInnen sagen etwas anderes. „Es fehlt ein Entschuldungskonzept“, kritisiert Matthias Kramer von der Wählerinitiative „Bürger für Lübeck“. Die Parteien würden „Kämpfe auf Nebenkriegsschauplätzen“ austragen: „Beispiel: die Höhe der Repräsentationsaufwendungen des Stadtpräsidenten.“

Als Wahlsieger fühlen sich bereits vorab die Linken. „Das bürgerliche Lager ist geschliffen“, stellt Ragnar Lüttke, Kreisvorsitzender der Linken, fest. Es könne zu einer linken Mehrheit in der Bürgerschaft kommen, rechnet die Partei auf ihrer Homepage vor – dazu allerdings müsste die SPD für ein Bündnis bereit sein. Ein Sparkurs wird mit der Linken allerdings nicht zu haben sein: „Wir legen unser Hauptaugenmerk auf soziale Gerechtigkeit und werden keine Einsparungen im sozialen Bereich zu Gunsten angeblicher Haushaltssanierung hinnehmen“, heißt es in den Eckpunkten.

„Wir wollen die Haushaltssanierung, das unterscheidet uns von den Linken“, meint dagegen Angelika Birk vom lübschen Grünen-Vorstand. Die Partei tritt für mehr Gemeinschaftsschulen ein – die CDU hatte versucht, gegen den Elternwillen Regionalschulen durchzusetzen.

Die SPD will mit traditionellen Themen punkten: „Die Schaffung neuer Arbeitsplätze, die Ausweisung von Gewerbeflächen und eine Stärkung der Altstadt durch die Erweiterung der Fußgängerbereiche.“