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Archiv-Artikel

„Man muss sagen, woher das Geld kommt“

Die große Linie zu entwerfen reicht nicht, meint Matthias Höhn, der Landesvorsitzende von Sachsen-Anhalt

MATTHIAS HÖHN, 32, Vorsitzender der Linken in Sachsen-Anhalt, Mitglied des Bundesvorstands.

taz: Herr Höhn, müssen Parteien nach einer Wahl tun, was sie davor versprochen haben?

Matthias Höhn: Natürlich.

Die Linke will, dass der Staat im Jahr 50 Milliarden Euro mehr ausgibt. Ist das finanzierbar?

Ja, in Deutschland gibt es genug Geld. Man muss aber sagen, woher genau es kommen soll.

Das tut die Linkspartei aber nur sehr vage. Warum eigentlich 50 Milliarden und nicht 40 oder 60?

Richtig ist, dass die Zahl 50 Milliarden etwas willkürlich wirkt. Die Gewerkschaften haben neulich ein Konzept vorgelegt, in dem es um 40 Milliarden ging. Aber die Partei ist noch nicht so weit, ein komplettes Steuerkonzept vorzulegen.

Wird die Linke vor der Bundestagswahl den Wählern sagen, woher das Geld kommt?

Ja, zumindest ist das meine Forderung.

Bedeutet 50 Milliarden mehr nicht automatisch mehr Staatsschulden?

Nein. Schauen Sie sich den Armuts- und Reichtumsbericht an: Es gibt in Deutschland viel Ungleichheit. Wenn wir uns an Erbschaft- und Vermögensteuern anderer Industrieländer orientieren und den Spitzensteuersatz erhöhen, sind 50 Milliarden Mehreinnahmen drin.

Das klingt, als wären Sie ganz auf einer Linie mit Oskar Lafontaine. Gibt es gar keinen Dissens in der Partei mehr?

Doch, eben bei der Refinanzierung. Ich wäre glücklicher, wenn wir sagen würden, wo das Geld herkommen soll. Und wofür wir es ausgeben wollen. Ich bin dafür, es in Bildung und Forschung zu investieren. Wir haben im Osten viel Geld in Baumaßnahmen und Wirtschaftsförderung gesteckt. Das hat zu wenig genutzt. Im Osten sind fast doppelt so viele arbeitslos wie im Westen, obwohl fast zwei Millionen im Westen arbeiten.

Darüber hat der Parteitag auch nicht debattiert. Warum kommen die Differenzen zwischen Pragmatikern wie Ihnen und Sahra Wagenknecht nicht zur Sprache?

Wir sind eine plurale Partei, das ist nicht neu. Und wir sind eine sehr junge Partei. Alle wissen, wie instabil wir noch sind. Deshalb hat keiner Interesse daran, die Unterschiede auf dem Parteitag zuzuspitzen.

Wie hat Ihnen Lafontaines Rede gefallen?

Es war eine mitreißende Rede. Aber die große politische Linie zu entwerfen alleine reicht nicht. Jetzt müssen wir klarmachen, wie unser linker Landrat in Wittenberg seinen Haushalt aufstellt und noch immer als Linker erkennbar ist. Wir müssen das im Alltag umsetzen.INTERVIEW: STEFAN REINECKE