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Archiv-Artikel

Lattetrinkende Eltern am Rande des Nervenzusammenbruchs

Natalie Tenbergs Gastro- und Gesellschaftskritik: Das Spielzimmer in Prenzlauer Berg ist ein Café speziell für Leute mit Kleinkindern. Funktioniert das? Der Praxistest

Wer schon einmal mit lebhaften Kleinkindern an einem kalten Tag im Café saß, wird wissen, zu welchem Chaos dieses Setting führen kann. Milchschaum am Hosenbein, verärgerte Gäste, die gemütliche Zeitungslektüre oder einen Plausch kann man vergessen. Der einzige Milchkaffee, den junge Eltern folglich in die Hand bekommen, wird meistens im Pappbecher serviert – zum baldigen Konsum auf dem von der Stillmafia belagerten Spielplatz. So kommt bei nicht wenigen der Wunsch nach einem Ort auf, an dem das Kind seinen Randalen ungestört nachgehen kann, während man selbst gemütlich in Zeitungen blättert. Ja, so ein Spielcafé, glaubt man, könnte Teil der Lösung sein. Nun hat gerade solch ein Café im Prenzlauer Berg eröffnet: das Spielzimmer an der Schliemannstraße.

Schon bevor man den Laden betritt, wird deutlich, dass hier Kinder im Zentrum stehen. In die Strandkörbe vor der Tür passen keine ausgewachsenen Menschen, Kinderwagen blockieren den Gehweg, für den Transport von Kindern gebaute Fahrräder mit großen Wannen zwischen den Vorderrädern stehen daneben. Im hellen Café selbst schwirren mehr Kinder herum als Ratten in einem Rajputentempel. Rechter Hand gibt es eine Spielzone für Kleinkinder, weiter hinten ein Kletter- und Tobezimmer für die älteren. Dazwischen erstaunlich gepflegtes und gemütliche Mobiliar.

Leider klebt auf den Tischen ein Hinweis, dass es sich hier um ein Selbstbedienungslokal handelt, so muss man sich in eine lange Schlange stellen für eine Bestellung. Nicht ganz einfach, wenn eine Anderthalbjährige an der einen Hand zieht und eine Vierjährige in den Wirren des Cafés verloren geht. Wer wollte jetzt was? Zeit, diese Frage zu beantworten, gibt es. Die Schlange bewegt sich kaum weiter, eine Thekenkraft allein ist für lauter gestresste Gäste zuständig.

Wirklich kindgerechtes Essen aber gibt es nicht, abgesehen von den Gläschen, die im Regal stehen. Der Käsetoast mit Mayonnaise ist so stark gewürzt, dass ihn selbst Kinder verschmähen, die keine Probleme mit mildem Thaicurry haben. Kuchen zum Frühstück soll es auch nicht sein.

Zum Glück konnten wir das letzte Brötchen ergattern, an dem nun fröhlich genagt wird. Als dann endlich alles auf dem Tisch steht, weichen die Cornflakes langsam vor sich hin, im Apfelsaft landet eine Serviette, und der Milchkaffee unterliegt ständigen Attacken durch kleine Kinderhände.

Ja, die Tische sind so niedrig, dass Kinder gut an sie rankommen. Vielleicht ist das genau falsch gedacht, und man sollte Regale in diesen Laden bauen, an die garantiert keiner unter 1,40 Meter herankommt.

Eltern sitzen im Spielzimmer unter starkem Beschuss. Im Spielbereich nämlich ist eine große Wanne aufgebaut, die mal bis zum Rand mit Plastikbällen gefüllt war. Die Kinder springen noch immer gerne in das inzwischen halbleere Teil, nutzen aber ihren Aufenthalt im selbigen eher, um die Bälle ins Café zu werfen. Folglich steht immer irgendeine Mutter am Rand, die gerade mit ihrem Kind schimpft. Irgendwann fangen die reizüberfluteten Kinder an, auf Rody, einem gelben, aufblasbaren Plastikpferd, einzudreschen, und hämmern mit Bauklötzen auf die niedrige Holzballustrade.

Nein, ein entspannter Cafébesuch sähe anders aus. Nach einer Stunde sind selbst ruhige Gemüter fix und fertig. Und auf die Frage, ob es der Vierjährigen denn Spaß gemacht hätte (wenigstens den Kindern muss es doch gefallen haben, oder?) bekommt man nur ein „Nein“ zu hören. So bleibt nur die Erkenntnis, dass es eher Teil des Problems sein könnte, wenn Eltern bald ins solche Cafés abgeschoben werden, und keinesfalls Teil der Lösung.

DAS SPIELZIMMER, Schliemannstraße 37, 10437 Berlin, (0 30) 44 03 76 35, www.das-spielzimmer.net, U-Bahn Eberswalder Straße, Mo–So 10–19 Uhr, Latte macchiato 2,20 Euro, Eintritt 2,50 Euro pro Kind ab Krabbelalter