Vielleicht ’ne Kiste Wein

Auf einer Skala von eins bis fünf: Wie sinnvoll sind eigentlich medienwissenschaftliche Studien?

Die Frau am Telefon ist hoch beglückt, „dass ich Sie gleich am Telefon habe!“ Ob die Redakteurin gerade 20 Minuten Zeit habe? Für eine Umfrage, die ihr zwei Wochen zuvor per Post ja bereits angekündigt worden war?

Aber ja. Die Redakteurin könnte die Fragen zum Verhältnis zwischen Politik und Medien mittlerweile im Schlaf beantworten. Denn sie hat sie schon 100-mal beantwortet. „Auf einer Skala von 1 bis 5 – lassen sich die Medien parteipolitisch zuordnen? 1 steht für gar nicht, 5 für sehr stark. Glauben Sie, die Medien informieren die Bevölkerung ausreichend über Politik?“

Die begeisterte Fragerin bietet an, die Bemerkung der Redakteurin, wonach vielleicht nicht alle Medien gleich sind, als Randnotiz zu übernehmen. Immerhin. Sie arbeitet für ein sozialwissenschaftliches Umfrage-Institut. Die Universität Stuttgart-Hohenheim, die so am Projekt „Political Communication Cultures in Western Europe“ teilnimmt, scheint genug Drittmittel aufgetan zu haben.

Die Redakteurin legt auf und öffnet die Post: Die „Syddansk Universitet“ redet sie mit „Herr …“ an und bittet um freundliches Ausfüllen beiliegenden Fragebogens. Stimmt sie zu oder eher nicht: „Journalisten sollten Behauptungen von Politikern aktiv hinterfragen und untersuchen.“ Sicherlich wird Süddänemark bald die Welt mit der Nachricht überraschen, wie viele Journalisten in dieser „international vergleichenden wisenschaftlichen Studie über politischen Journalismus“ hier „überhaupt nicht“ zugestimmt haben. Unter den Teilnehmern werden ein iPod und eine Kiste Wein verlost.

Der nette Student der Uni Dortmund hat weder Wein noch iPod im Angebot. Er bittet trotzdem darum, bloß 20 Minuten in den streng wissenschaftlichen Fragebogen seines Seminars zu investieren. Dann ist er verblüfft: Derartige Erhebungen würden auch anderswo gemacht? Sagenhaft. Habe er noch nie gehört.

Stellt sich die Frage: Wenn noch nicht einmal die Studierenden der Medienwissenschaften von den Ergebnissen all dieser schrecklichen Studien erfahren – wer denn dann? Wo werden all die Daten gelagert, die – natürlich streng anonymisiert – wiedergeben, ob die Presse die Bevölkerung so objektiv wie möglich informieren möchte (stimme voll und ganz zu, stimme eher nicht zu)?

Immerhin aber erklärt die Verblüffung des Studenten, wieso die Erhebungen immer gleich oberflächlich sind: Wenn die Medienwissenschaftler nicht voneinander lernen, kommen sie auch mit der Fragerei nicht weiter. „Wie wichtig ist Ihnen das Ziel, komplexe Sachverhalte zu erklären und zu interpretieren?“ Etwas zwischen „völlig unwichtig“ und „sehr wichtig“ gilt es anzukreuzen. Hmmmm.

ULRIKE WINKELMANN