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Archiv-Artikel

Die Klima-PR-Maschine

Ran an die Kunden von morgen: Energieversorger Vattenfall tourt mit seiner „Klima-Akademie“ durch Hamburger Schulen – und betreibt Imagepflege unter dem Deckmantel des Klimaschutzes

VON MART-JAN KNOCHE

iPod lautet das Zauberwort. Einmal ausgesprochen, beginnt ein wildes Durcheinander auf dem „Vattenfall-Quiz-Walk“ in der Pausenhalle. In dem lärmenden Getümmel einer siebten Klasse gehen die Stimmen der beiden Promoter unter. „Aber wir wollen euch noch die Regeln erklären!“ Die will keiner mehr hören. Dass es einen digitalen Musikplayer von Apple zu gewinnen gibt, reicht an Infos. Die Mädchen und Jungen drängeln sich vor die neun Thementafeln, auf denen die Antworten für das Energie-Quiz nachzulesen sind. Auch zur Frage nach der „Windenergie“ gibt es eine Tafel. Unter Fotos von strahlendweißen Windkraftanlagen mit Vattenfall-Logo steht die Lösung. Abschreiben, das Los abgeben und mit etwas Glück einen iPod ergattern. Mit eingraviertem „Vattenfall“-Schriftzug.

Dieser didaktische Kniff, Schüler zu mehr Energiebewusstsein zu motivieren, ist ein fester Bestandteil in der „Klimaakademie“ des Energieversorgers. Im laufenden Schuljahr tourte man durch knapp 30 Hamburger Schulen. Sonderunterricht in den Grundlagen des Klimawandels und im Energiesparen stand auf den Stundenplänen – und gleichzeitig Imagepflege vor der nächsten Kundengeneration. Elternräte und Schüler protestierten an vielen Schulen heftig gegen die Kooperation zwischen der Schulbehörde und dem Planer des umstrittenen Kohlekraftwerks in Moorburg.

Auch die Bildungsgewerkschaft GEW betrachtet die „Klima-Aktionstage“ kritisch. „Private Unternehmen sollten in den Schulen nicht präsent sein“, sagt der GEW-Landesvorsitzende Klaus Bullan der taz. „Die Gefahr, dass verdeckt oder auch offen geworben wird, ist bei derartigen Aktivitäten immer gegeben.“ Allerdings sei das Projekt von der GEW schlicht übersehen worden.

Die beiden Promoter am „Quiz-Walk“ in der Pausenhalle sind Honorarkräfte des Berliner Marketing-Unternehmens A 5. Aus dem Sinn ihrer Arbeit machen sie keinen Hehl: „Wir sind Teil einer Image-Kampagne von Vattenfall“, erzählt eine der beiden, während ihr Kollege Kugelschreiber und Schlüsselanhänger an die Jugendlichen verteilt.

Die Schulbehörde hatte unter CDU-Führung nichts gegen die PR-Besuche der „Klimaakademie“ einzuwenden. Im vergangenen Herbst gab sich die damalige Schulsenatorin Alexandra Dinges-Dierig (CDU) als Schirmherrin des „Umwelt-Projekts“ her – kurz nachdem sie mit dem Versuch gescheitert war, alle Hamburger Schulen für Werbung zu öffnen.

Aber ist es überhaupt legal, Public Relations zu Minderjährigen im öffentlichen Schulunterricht pflegen? In der Hamburger „Richtlinie zu Werbung, Sponsoring und sonstigen wirtschaftlichen Aktivitäten in staatlichen Schulen“ heißt es: „Oberster Maßstab für die rechtliche Beurteilung aller schulischen Aktivitäten ist deren Vereinbarkeit mit dem Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule.“ Unzulässig seien weiterhin Werbeflächen und alle „sonstigen Werbemöglichkeiten für Zwecke der Produktwerbung“.

Eingehend sei das Projekt vom Landesinstitut für Lehrerfortbildung und Schulentwicklung überprüft worden, sagte Dinges-Dierigs Sprecher Thomas Luckow. „Das Engagement Vattenfalls ist aus unserer Sicht völlig unproblematisch und kein Verstoß gegen irgendwelche Richtlinien.“

Seit Mai ist Christa Goetsch (GAL) Schulsenatorin. „Wir werden uns zu gegebener Zeit mit dem Thema befassen“, lässt sie über ihre Sprecherin ausrichten. Im Moment wolle man sich aber nicht dazu äußern. Dass die langjährige GEW-Gewerkschafterin den von ihrer Partei im Wahlkampf als „Klimasünder“ abgestempelten Konzern Vattenfall weiter von Schule zu Schule ziehen lassen wird, scheint fraglich.

Vattenfall jedenfalls will die „Klimaakademie“ auch im kommenden Schuljahr fortführen. „Ja, wir machen weiter“, kündigt Vattenfall-Sprecherin Sabine Neumann an.

Die Vattenfall-Kritiker üben sich derweil in kleinen Sabotageakten: „Tschüss Vattenfall!“-Aufkleber müssten sie an fast jeder Schule von den Stellwänden entfernen, sagt die junge Frau am „Quiz-Walk“-Stand. Ein großer Filzstift-Penis habe eine Thementafel ganz unbrauchbar gemacht. Über Kritikpunkte an Vattenfalls Klimaverständnis zu reden, sei allerdings nicht erlaubt, so wurden sie von ihrer Agentur „gebrieft“. Die täglichen Ressentiments von Siebt- und Achtklässlern sollen sie anders abwehren: „Schüler und Lehrer, die sich beschweren, bitten wir höflich, die Kunden-Hotline von Vattenfall anzurufen.“ Die, so wirbt das Unternehmen derzeit flächendeckend, ist schließlich die beste der Republik.