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Archiv-Artikel

Ein Organist ist kein Kantor

betr.: „Lobpreis nur noch dissonant“, taz bremen vom 9. 5. 2008

Am 22. 5. 2008 konnte ich am Abend das Eröffnungskonzert im St. Petri Dom in Bremen erleben. Der Domkantor Wolfgang Helbich brachte das Deutsche Requiem von Brahms 140 Jahre nach der Uraufführung zum Klingen, das wohl allen Zuhörern zu einem unvergesslichen Erlebnis wurde. […] Am Nachmittag sprach mich eine Gruppe von vier Herren an, die sich die neue Wirkungsstätte ihres Organisten anschauen wollte. Auf die guten Orgelkonzerte dürften wir uns freuen, meinten sie. Als ich erklärte, ihr Organist würde als Nachfolger für den Kantor Herrn Helbich eingestellt, waren sie überrascht und sagten: „Naja, dann muss er noch sehr viel lernen.“ […]

Warum bildet man nicht einen Kultur-Chor? Der Domchor hat in den letzten Jahrzehnten die Musikkultur entscheidend mitgeprägt und einen guten Ruf weit über die Grenzen Bremens hinaus erworben. Den „Domchor“ unter dem Dirigat von Herrn Dr. Gravenhorst sollte man „Kirchen-Dom-Chor“ nennen, um sicherzustellen, dass Besucher aus dem Umland nicht mit den hohen Erwartungen zu den Konzerten kommen und dann enttäuscht werden. […] Im Bremer Dom befindet sich die Grablege von Freiherr Knigge – dem sog. „Benimm-Knigge“. Ich würde den Entscheidungsträgern des Doms wärmstens empfehlen, seine Bücher „Über den Umgang mit Menschen“ und „Über Eigennutz und Undank“ zu lesen und auch zu verinnerlichen. Vielleicht würden dann die Scherbenhaufen, die angerichtet wurden, endlich begraben werden.

Ich begreife Herrn Dr. Gravenhorst nicht: Wie kann ein Organist als Kantor einen so ausgezeichneten Chor (160 Mitglieder) leiten wollen, wenn die Chorsänger und Chorsängerinnen ihn ablehnen? In der Kirche St. Pauli hat die vom Chor abgelehnte Kantorin ihre Bewerbung zurückgezogen! Ich hoffe, dass alle guten Chorsänger und Chorsängerinnen im „Kulturchor“ eine neue Heimat finden. Die BEK könnte zur Stützung der „Kirchenmusikkultur“ einen Kantor oder eine Kantorin bezahlen, wobei alle Kirchengemeinden ihren Anteil beizutragen hätten. GISELA KALB, Bremen