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Archiv-Artikel

Eis mit Stil

Blauweiße Kühle, gelbgoldenes Licht: In der Münchner Pinakothek der Moderne hat der Künstler Olafur Eliasson seinen Art Car in einer Eisgittergarage geparkt – unter dem launigen Titel „Your Mobile Expectations: BMW H2R“

Olafur Eliasson schafft Kunst, die unter die Haut geht. Wer am Eröffnungsabend den weißen Kubus im Inneren der Münchner Pinakothek der Moderne betritt, die dumpfe Schwüle des Tages noch im Körper, dem schlägt die jähe Kältewand ins Gesicht wie eine Metalltür. Minus 10 Grad. In der Mitte des kleinen Quaders steht ein in Eis gegossenes Auto, ein mit Wasserstoff betriebener Sport-BMW, überspannt von einer dichten Gitterstruktur, glänzend im orangefarbenen Licht. Gefällig, organisch anmutend, Vertrauen stiftend wie ein Iglu. Zugleich aber auch bewegungsunfähig, ein erstarrtes Gerippe, der weißliche Panzer eines toten Insekts. „Your Mobile Expectations: BMW H2R“ betitelt Olafur Eliasson sperrig sein neuestes Projekt.

Mit einem Kunstgriff bringt der 41-Jährige das Publikum seit einem Jahrzehnt dazu, seine Skulpturen nicht nur zu sehen, sondern am eigenen Leib zu spüren: Er erschafft sie aus den Elementen. Die Resonanz ist beachtlich. Über 2, 2 Millionen Besucher kamen 2003 in die Londoner Tate Modern, als er im „Weather Project“ eine rote, verschwommene Sonne aufgehen ließ. Derzeit zeigt das Moma in New York seine Werke, und ab Juli ist ebenfalls in New York die bislang größte Installation zu sehen: vier künstliche Wasserfälle, die sich von einem Gerüst in den East River ergießen. Hinzu kommen Kooperationen mit der Industrie; früher war es eine mehrfarbige, natürlich sonnenähnliche Lampe für Luis Vuitton, heute ist es BMW. Er wolle mit seiner „Sprache, der Kunst, die Industrie verstehen, die aber eine andere Sprache spricht“, begründet Eliasson sein Engagement.

Gerade im Spiel mit Design und atmosphärischen Materialien kreiert der 1967 in Kopenhagen geborene Isländer eigentümliche Zwischenwelten. Als Künstler bewegt er sich in der spannungsgeladenen Sphäre zwischen der in Form gezwungenen Natur und der Kraft der Elemente. Beim „BMW H2R Project“ ist es Wasser, das bei der Verarbeitung unkontrollierbare Eiszapfen in die Skulptur schlägt. Den Betrachter stößt er in ein Niemandsland zwischen dem Willen zur Annäherung an die Natur und unwillkürlicher Distanz zu der schwer unterkühlten, besonders gefühlsarm inszenierten Technik. Wie in den Siebzigern die Arte Povera (und besonders Mario Merz) setzt Eliasson auf Entfremdung durch neue, selbstgeschaffene Bezüge: Ist ein Iglu noch ein Schutzort, wenn es aus Zucker, Styropor, Abfall entsteht? Ist ein Auto noch ein Auto, wenn es hinter einer Eisskulptur zurücktritt, in ihr verschwindet?

Strategisch habe man den Quader zwischen Kunst- und Designabteilung des Museums platziert, erklären die Münchner Kuratoren. Und zunächst ist der BMW von Eliasson tatsächlich nur das neueste, immerhin bereits 16. Serienmodell der so genannten Art Cars, wie sie zuvor bereits Jenny Holzer, A. R. Penck und Andy Warhol für die Bayerischen Motorenwerke erschufen. Aus Nobelwagen wurde Popkunst, bislang jedoch durch Bemalung, nicht durch Sinnentstellung.

Der seit zehn Jahren in Berlin lebende Eliasson nähert sich dagegen eher einem Künstlerkollegen wie Matthew Barney an, der Luxuskarossen crashte, um sie in ihrer neuen Bewegungs- und Funktionslosigkeit zu Schrott-Skulpturen zu erheben. Eliasson verfährt weniger radikal mit seinem Gegenstand, und trotzdem ist auch sein Objekt zuletzt nicht mehr als solches zu gebrauchen. Trotz der nahezu verstörenden Schönheit des entstandenen Gebildes: Um Design kann es jetzt nicht mehr gehen. Nachdenken über Nachhaltigkeit, Klimaschutz, das Verhältnis zur Natur – hier liegt das Anliegen des Künstlers.

So macht er noch einen weiteren Schritt. Die eisige Haut, die er um die Karosserie legt, trennt nicht nur, sondern setzt zugleich in Beziehung. Die Betrachter, die den Raum mit ihrer Körperhitze erwärmen, bringen sein Münchner Werk langsam zum Schmelzen. Das Eis wird zum Leiter, der die Reaktion des toten Metalls sinnlich erfahrbar macht. Die eingefangene Schnelligkeit gerät erneut in Bewegung, und dazu rattert leise eine Ökostromanlage, die für die klirrende Kälte sorgt. Und letztlich ist es nun ausgerechnet ein Eispanzer, der innen und außen, der Technik und Menschen in München verbindet. JOHANNA SCHMELLER

Bis 20. Juli, Pinakothek der Moderne München, Katalog (Lars Müller Publishers), 35 €