: Milchbauern lockern Blockade
Boykotte und Blockaden von Meiereien durch Milchbauern in Norddeutschland wurden am Dienstag vorerst beendet. Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Carstensen will am runden Tisch vermitteln. Fischteiche mit Milch verunreinigt
Der Diplombauer weiß Rat. Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) will Milchbauern, Meiereien und die regionalen Handelsketten an einen runden Tisch bringen. „Das wird in dieser Woche noch geschehen“, sagte der Regierungschef auf einer Kundgebung vor rund 500 Milchbauern am Dienstag in der Kieler Innenstadt. Er habe bereits Gespräche mit verschiedenen Handelsketten geführt, um eine schleswig-holsteinische Lösung zu finden, sagte Carstensen. „Landwirte müssen für ihre Leistung, für ihre harte Arbeit auch gerecht bezahlt werden“, sagte der Oberlandwirtschaftsrat a. D. von der Nordsee-Insel Nordstrand. Qualität dürfe es nicht zum Nulltarif geben.
„Vielen Bauern steht das Wasser bis zum Hals“, sagte die stellvertretende Landesvorsitzende des Bundesverbandes Deutscher Milchviehhalter (BDM), Karin Voss, in Kiel. Die Bauern bekämen keine kostendeckenden Preise für ihre Milch und hätten deshalb handeln müssen: „Es ist wie beim Schachspiel: Der Bauer ist das schwächste Glied und wird geopfert.“
Am Vormittag hatten Milchbauern in ganz Norddeutschland ihre seit Sonntag andauernden Blockaden von mehreren Meiereien aufgehoben. Mit den bundesweiten Protesten wollen die Landwirte einen Preis von 43 Cent pro Liter durchsetzen. Derzeit bekommen sie nur 27 bis 30 Cent.
Ganz freiwillig zogen sie aber nicht ab: Am Nordmilch-Werk in Edewecht seien ihnen Schadensersatzforderungen in Höhe von einer halben Million Euro angedroht worden, sagte Protest-Organisator Heinrich Rauert. „Das konnten wir unseren Mitgliedern nicht zumuten.“ Von einer Einigung könne aber keine Rede sein, sagte Rauert. „Was uns die Nordmilch vorgelegt hat, war zu keiner Zeit verhandlungsfähig.“ Neue Protestaktionen seien nicht auszuschließen.
In Aurich, wo die Molkerei Rücker vom Montagvormittag an bis zum Abend blockiert war, sei ein Schaden von 5.000 Euro pro Stunde entstanden, sagte Geschäftsführer Klaus Rücker. Schadensersatzforderungen von Kunden seien dabei noch nicht berücksichtigt. Auch in Aurich sei den Bauern mit Anzeigen gedroht worden. „Die Blockade ist eine absolut strafbare Handlung“, sagte der Unternehmer.
Unterdessen teilte der Einzelhandelsverband Niedersachsen in Hannover mit, dass die Frischmilch in niedersächsischen Supermärkten vereinzelt knapp werde. Grund seien „Hamsterkäufe“ von Kunden.
Ein unbekannter Landwirt im Kreis Goslar hat im großen Stil Milch in den Bach Nette bei Seesen am Harz gekippt. 18 Fischteiche, die von dem Gewässer gespeist werden, seien vorübergehend weiß gewesen, sagte ein Fischzüchter am Dienstag. Es seien Proben genommen worden, die derzeit untersucht werden, sagte Landkreissprecherin Britta Weber. Der Verursacher müsse mit einem Bußgeld wegen unerlaubter Einleitungen in Gewässer rechnen. Ob Fische zu Schaden kamen, war zunächst nicht bekannt. SVEN-MICHAEL VEIT
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