: Milchregal wieder voll
Im Ringen um die Milchpreise demonstrieren Landwirte vor der Edeka-Zentrale in Hamburg. Die Versorgung ist unterdessen wieder gesichert
VON DANIEL KUMMETZ UND GERNOT KNÖDLER
Die Kohlen glühen rot-orange, sie färben die Bratwürste bedenklich braun. Zeit für Wolfgang Dieckmann, die Würstchen zu drehen. „Das ist meine Art, die Kollegen zu unterstützen“, sagt der Landwirt aus Klein Steimke bei Braunschweig. Er steht mit seinem Grill auf einem kleinen Schmuckrasen in der Bürogebäude-Wüste in der Hamburger City-Nord, hinter ihm liegt die Konzernzentrale von Edeka.
Seit Mittwochmorgen halten hier einige Dutzend Landwirte Mahnwache, friedlich und ohne Blockaden. Das Ziel: zeigen, dass sie die Verhandlungen des Bauernverbandes mit dem Lebensmittelriesen unterstützen. In der Unternehmenszentrale hatten sich die Präsidenten der Bauernverbände aus Hamburg und Schleswig-Holstein mit Vertretern des Lebensmittelunternehmens getroffen – ohne konkretes Ergebnis.
Rund 30 Traktoren stehen so auch noch am Mittag auf der Straße, viele sind mit Protestplakaten behängt. Landwirt Dieckmann überlegt, sich mit ein paar zurückgehaltenen Lieferungen doch noch am Streik zu beteiligen. Doch er zweifelt, dass die Landwirte mehr Ausdauer haben können als die Händler.
Leere Regale in der Milchabteilung hat es bisher noch nicht gegeben. „Die Blockaden sind aufgelöst worden“, sagt Hans-Martin Bohač vom Einzelhandelsverband Nord, „insofern hat sich die Versorgungslage entspannt“.
Ohne die Blockaden können die nicht streikenden Bauern wieder die Molkereien beliefern. Bei der Meierei Hansano in Upahl waren es bis zu 150 von insgesamt 800 Landwirten, die streikten. „Jetzt kommen laufend Faxe rein, dass die wieder liefern“, sagt Hansano-Sprecher Roland Fröhlich.
Die Nordmilch in Bremen wurde von einem Viertel ihrer Lieferanten bestreikt. Weil sie keine Frischmilch, sondern vor allem Käse und Quark herstelle, werde sich der Boykott erst in sechs bis acht Wochen auswirken, sagt Nordmilch-Sprecher Hermann Cordes.
Nordmilch wie Hansano gehören den sie beliefernden Bauern. „Wir raten, wenn man den Bauern helfen will, regionale Produkte zu kaufen“, sagt Fröhlich. Damit werde die Erzeugung vor der eigenen Haustür gesichert.
Noch vor einem Dreivierteljahr schien das überhaupt kein Problem zu sein. Im Gegenteil: Der Milchpreis stieg. Politiker und Medien jammerten über die steigenden Preise für Quark und Butter. Die Berg- und Talfahrt der Preise erklären die Sprecher der beiden Meiereien damit, dass die EU nicht mehr dauerhaft den Milchmarkt subventioniert.
Die früher sattsam bekannten Milchseen und Butterberge wurden abgetragen, mit dem Effekt, dass der weltweit gestiegenen Nachfrage im zweiten Halbjahr 2007 nicht mit Vorräten begegnet werden konnte und die Preise stiegen. Aus biologischen Gründen ist das Milchangebot im ersten Halbjahr größer als im zweiten. In diesem Frühjahr kam hinzu, dass die Bauern wegen der hohen Preise mehr Milch erzeugten und die Verbraucher im einstelligen Prozentbereich weniger kauften. „Große Firmen haben ihr Eis mit Pflanzenfett produziert“, sagt Nordmilch-Sprecher Cordes. Überdies dämpfte der teure Euro den Export.
All das drückte den Preis, der aber nach Angaben der Zentralen Markt- und Preisberichtstelle (ZMP) immer noch über dem vom Frühjahr 2007 lag. Dass die Bauern damit trotzdem nicht leben können, liegt an ihren gestiegenen Kosten.
Vor der Edeka-Zentrale bekommt Landwirt Dieckmann an seinem Grill derweil neue Kundschaft. Der Kreisbauernverband Segeberg ist eingetroffen. Nachdem sie ihre Wurst gegessen haben, wollen sie zu einer Traktoren-Rundfahrt durch die Stadt aufbrechen. Wenn ihr Protest schon nicht im Kühlregal spürbar wird, dann wenigstens auf der Straße.
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