: Kartellamt hält „Milchstreik“ für unzulässig
Dem Milchbauernverband wird ein unzulässiger Boykottaufruf vorgeworfen. Hinweise auf Preisabsprachen des Handels werden nicht gesehen
FREIBURG taz ■ Der „Milchstreik“ war erfolgreich, aber vermutlich illegal. Eine Wiederaufnahme dieser Kampfform dürfte deshalb schwer möglich sein – auch wenn der Bundesverband der Milchviehhalter (BDM) gestern bereits damit drohte. Am Mittwoch hat das Bundeskartellamt klargestellt, dass es solche Boykottaufrufe nicht für zulässig hält. Gegen den Milchbauernverband wurde ein Verfahren eröffnet, das auch nach dem vorläufigen Ende der Aktionen vorerst weitergeführt wird.
Das Kartellamt wirft dem BDM vor, er habe seine Mitglieder aufgerufen, die Molkereien durch einen Lieferstopp „unbillig zu beeinträchtigen“. Das verstoße gegen das „Boykottverbot“ laut Paragraf 21 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, sagte Silke Kaul, die Sprecherin des Kartellamts, zur taz. Dem Verband droht deshalb eine Geldbuße bis zu einer Million Euro.
Kleine Erpresser
Aufgabe des Kartellamts ist es, Verfälschungen des Wettbewerbs zu verhindern. Der effizienteste oder bei den Verbrauchern beliebteste Anbieter soll sich am Markt durchsetzen können. Das Kartellamt geht deshalb gegen große Marktteilnehmer vor, die mit Absprachen und Tricks die kleinen Wettbewerber vom Markt verdrängen wollen – und gegen kleine Marktteilnehmer, die mit Erpressung den Großen Bedingungen diktieren wollen.
Der Boykottaufruf der Milchbauern und ihres Verbands wird als „unbillig“ eingestuft, weil es durchaus genügend Milcherzeuger in Ost- und Norddeutschland gebe, die zu den derzeitigen Marktpreisen liefern können. Wenn viele Bauern, zum Beispiel im Schwarzwald, höhere Produktionskosten hätten, müssten sie entweder auf staatliche Subventionen hoffen oder darauf, dass Verbraucher bereit sind, für regionale Produkte einen höheren Preis zu bezahlen.
Die zuständige dreiköpfige Beschlussabteilung des Kartellamts geht derzeit davon aus, dass ein Gesetzesverstoß vorliegt. Dies wurde dem BDM bereits schriftlich mitgeteilt. Der Verband hat jetzt drei Wochen Zeit, Stellung zu nehmen. Da es sich nur um eine Ordnungswidrigkeit handelt, könnte das Verfahren aber auch noch relativ leicht eingestellt werden. Im Falle neuer Boykottdrohungen müsste der Milchbauernverband dann aber tatsächlich mit neuen Sanktionen rechnen.
Verfahren des Kartellamts gegen Boykottaufrufe sind in Deutschland recht selten. Zuletzt wurde im Vorjahr gegen Apotheken ermittelt, die dazu aufriefen, nicht mehr beim Pharma-Großhändler Gehe zu kaufen, weil dieser eine eigene Apothekenkette plante. Das Verfahren wurde aber eingestellt. Politische Boykottaufrufe von Verbänden und Parteien sind vom Kartellrecht nicht betroffen.
Große Preisdrücker
Das Kartellamt hat nach Beschwerden von Bauern auch die Milchpreissenkungen vom April geprüft. Damals hatte Aldi den Preis auf einen Schlag um rund 20 Cent gesenkt, die anderen Discounter folgten. Anzeichen für Absprachen habe es aber nicht gegeben, so Sprecherin Kaul. Das Amt geht davon aus, dass die Wettbewerber gar nicht anders können als einer Preisattacke des Marktführers zu folgen – wenn sie nicht Marktanteile verlieren wollen. Das Amt untersucht derzeit zwar allgemein die Strukturen des Milchmarkts, aber nur, um ihn besser zu verstehen.
Kein Fall für das Kartellamt waren die Blockaden von Molkereien Anfang der Woche. Wenn aufgebrachte Bauern mit Treckern die Molkereien abriegeln, um „Streikbrecher“ an der Ablieferung von Milch zu hindern, könnte eine strafbare Nötigung vorliegen. Die Polizei hat die jeweiligen Blockaden deshalb aufgelöst. CHRISTIAN RATH