: Ein Hauch von Erbrechen
CDU-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers nimmt beim 20. Medienforum NRW die Öffentlich-Rechtlichen in Schutz
Erinnert sich noch irgendwer da draußen an die im März mit großem Getöse verkündete Kooperation von WDR und WAZ-Gruppe im Internet? Danach kann der drittgrößte Zeitungskonzern des Landes auf seiner Sammelhomepage DerWesten.de jeden Tag neun Videos mit Regionalberichten der größten ARD-Anstalt präsentieren. Beziehungsweise: Könnte. Denn obwohl die im milden Licht der Düsseldorfer Staatskanzlei auf Initiative von Ministerpräsident Jürgen Rüttgers unterzeichnete Vereinbarung jetzt knapp drei Monate alt ist, wird sie immer noch nicht umgesetzt. Offiziell wegen technischer Probleme.
Jetzt hatte der Initiator zum 20. Medienforum NRW an den Rhein geladen, belobhudelte die olle Kamelle in einem entsetzlich schwachen, im Veranstaltungsprogramm aber dennoch als Grundsatzrede angepriesenen Sermon ein weiteres Mal („Ich glaube, dass das Zukunft hat“). Und siehe da – es tat sich was. Genau genommen gleich zweierlei: WAZ-Chefredakteur Ulrich Reitz verkündete, man werde das mit den WDR-Videos bis Mitte Juni „hinkriegen“. Und die Privatsender kündigten an, dann umgehend Rechtsaufsichtsbeschwerde einzulegen: „Liebe Staatskanzlei, es kommt Post“, frohlockte Jürgen Doetz, Präsident des Privatsenderverbandes VPRT. Auf dem Nebenkriegsschauplatz wird also tapfer weiter gekämpft.
In der großen medienpolitischen Debatte um die neuen Spielregeln für den Rundfunk im Internet und anderswo blieben dagegen die üblichen Strategen in ihren Schützengräben. Denn am Donnerstag brüten die Ministerpräsidenten über dem Entwurf zum Rundfunkstaatsvertrag, und eigentlich ist längst alles gesagt. „Ich erwarte, dass die Kommission endlich damit aufhört, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk grundsätzlich in Frage zu stellen“, sagte Rüttgers zur Einlassung von EU-Medienkommissarin Viviane Reding, die den Bundesländern mit einem neuen EU-Verfahren gedroht hatte, falls die Grenzen für Internetaktivitäten von ARD und ZDF nicht enger gezogen würden. Aber natürlich müssten sich beide Sender im Gegenzug an die künftigen „Spielregeln“ halten und dürften nicht mittels Rundfunkgebühren den Wettbewerb verzerren. Deshalb sollten sie auf Onlinewerbung und Onlinesponsoring, flächendeckende Lokalberichterstattung, Kleinanzeigen oder die Direktvermarktung von Produkten verzichten, forderte Rüttgers. Das konnten ihm die anwesenden IntendantInnen Monika Piel (WDR) und Markus Schächter (ZDF) lammfromm zusagen: Schließlich war all das eh nie geplant.
Einer aber fehlte bei diesem 20. Familientreffen der Medienbranche: Georg Kofler. Als Premiere-Chef hatte er durch seine so geistreichen wie talibanösen Einwürfe noch jedes verschnarchte Podium zum Leben erweckt. Jetzt macht er mit seiner neuen Firma Kofler Energies in Strom. Und so sprach NRW-Medienwächter Norbert Schneider in seiner im Gegensatz zu der von Rüttgers geschliffenen Eröffnungsrede warme Worte über Kofler, „der einerseits uns, dem aber auch wir fehlen werden: Wer wird in Zukunft das Wort Rundfunkgebühr so aussprechen können wie er, mit diesem Hauch von Erbrechen im Mund?“ STEFFEN GRIMBERG, Köln