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Archiv-Artikel

Stadtplan für Solarfreunde

Osnabrück hat für jedes der 70.000 Gebäude in der Stadt simuliert, wie gut es sich für Solaranlagen eignet. Die Daten stehen im Internet, wo Interessenten schnell sehen, ob eine Installation lohnt

VON BERNWARD JANZING

Man könnte es maximale solare Transparenz nennen: Wer wissen möchte, ob sein Haus in Osnabrück zur Nutzung der Solarenergie geeignet ist, kann einfach im Internet nachsehen. Wer Straße und Hausnummer angibt, kommt auf einem Stadtplan zu dem gewünschten Gebäude. Ist dieses rot gefärbt, lassen sich auf dem Dach mindestens 95 Prozent der maximal möglichen Solarstrahlung „ernten“, ist es orange, sind immerhin noch mindestens 81 Prozent zu erzielen. Sun-Area nennt sich dieses Projekt, das von der Stadt angestoßen, und von der Fakultät Agrarwissenschaften und Landschaftsarchitektur der Fachhochschule Osnabrück ausgeführt wurde.

Grundlage der Berechnungen sind Laserscannerdaten, die vom Flugzeug aus erhoben wurden – ursprünglich für Hochwasserprognosen. 350 Millionen Höhenpunkte waren damals im ganzen Stadtgebiet ermittelt worden, das sind etwa vier Punkte pro Quadratmeter. Aus diesen Daten errechnete die Fachhochschule Osnabrück zum einen die Ausrichtung und Neigung aller Dachflächen der 70.000 Gebäude, und simulierte zudem aufgrund der umstehenden Gebäude und Bäume die Verschattung bei unterschiedlichem Sonnenstand. „Mit manchen Rechenschritten war der Computer drei bis fünf Tage beschäftigt“, sagt Ingenieurin Dorothea Ludwig.

So wurden enorme Solarpotenziale offenbar: Die gut und sehr gut geeigneten Dachflächen in der Stadt können zusammen fast 300 Megawatt an Photovoltaikmodulen aufnehmen, und einen Ertrag von 237 Millionen Kilowattstunden jährlich bringen. Damit ließe sich der private Stromverbrauch in der Stadt komplett decken und der Gesamtverbrauch zu 20 Prozent.

Mit den Daten kann die Stadt außerdem den Gebäudebestand nach ausgewählten Kriterien durchforsten. So können etwa alle geeigneten Flächen von einer bestimmten Mindestgröße herausgefiltert werden, die in Industriegebieten liegen. Eine solche Datenbank ist hilfreich, weil Investoren in ganz Deutschland nach Dächern suchen.

Unterdessen hat schon das Nachfolgeprojekt mit dem Namen Sun-Power begonnen: Die Stadt Osnabrück hat in einem ersten Teil der Stadt alle Eigentümer von geeigneten Dachflächen persönlich angeschrieben, und zu einem kostenlosen Beratungsgespräch über die Möglichkeiten zur Nutzung der Dachfläche eingeladen.

Osnabrück hofft, damit auch in der Solarbundesliga noch weiter nach vorne zu rücken. Die Solarbundesliga ist ein Wettbewerb, bei dem die Menge der Solarstrom- und Solarwärmeanlagen pro Kopf der Bevölkerung bewertet wird. Unter den Großstädten mit mehr als 100.000 Einwohnern steht Osnabrück als beste Stadt in Niedersachsen derzeit bundesweit auf Platz 12. „Angesichts der deutlich geringeren Sonneneinstrahlung gegenüber dem Süden Deutschlands ein durchaus respektables Ergebnis“, findet Ute Fritsch-Riepe, zuständige Energieingenieurin im Fachbereich Umwelt der Stadt Osnabrück.

Die gute Platzierung beruht im Wesentlichen auf dem Anstieg der Photovoltaikanlagen um 65 Prozent im Jahr 2007. Von der ersten Anlage bis zur Überschreitung der 1.000-Kilowatt-Marke Ende 2006 hatte es in Osnabrück noch 14 Jahre gedauert. Ende 2007 waren 1.650 Kilowatt am Netz, und in Kürze soll die Grenze von 2.000 Kilowatt überschritten werden. Gleichwohl wird damit nicht einmal ein Prozent der Dachflächen genutzt.

Nachholbedarf besteht jedoch vor allem bei der Solarthermie: Mit 6.800 Quadratmetern Kollektoren kommt Osnabrück lediglich auf 0,044 Quadratmeter pro Kopf. Ingolstadt, Spitzenreiter unter den Großstädten in der Solarbundesliga, erreicht etwa die zweieinhalbfache Menge.

Doch auch andere Städte arbeiten intensiv am Thema Solarenergie, und die Fachhochschule Osnabrück ist auch bereit, das Projekt auf andere Städte zu übertragen – ein Wissenstransfer, der von Anfang an eingeplant war. Deswegen wurde das Rechenmodell auch so gestaltet, dass es möglichst einfach auf die Datensätze anderer Städte eingestellt werden kann: „Man muss lediglich einige Parameter ändern“, sagt Wissenschaftlerin Ludwig.

Erste Nachahmer haben sich schon gemeldet: Die Städte Braunschweig und Gelsenkirchen, die ebenfalls bereits über Laserscannerdaten verfügen, haben die Osnabrücker Wissenschaftler bereits mit der Berechnung ihres Solarenergiepotenzials beauftragt.

www.osnabrueck.de/sun-area