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Archiv-Artikel

Jukebox

Die Farben der Mongolei sind auch Gold-Rot-Schwarz

Die Mongolei ist vor allem die Weite der Landschaft, durch die man als Tourist gefahren wird. Daran hat sich durchaus eine Infrastruktur entwickelt, also nicht unbedingt Straßen, die ein aufrechter mongolischer Fahrer sowieso zu vermeiden sucht, selbst wenn mal eine jenseits der Hauptstadt Ulan Bator vorhanden wäre. Weil die Wege draußen in dieser weiten Landschaft aber lang sind und man sich irgendwie Unterhaltung verschaffen muss, gibt es an den Ausfallstraßen von UIan Bator kleine Stände, an denen Musikkassetten feilgeboten werden. Faustregel ist: Mehr als zwei solcher Kassetten hat ein Fahrer nicht in seinem Gefährt, auch wenn die Ausfahrt eine Woche dauert. Mit etwas Glück ist darunter dann keine mit Modern Talking, sondern mit so einer mongolischen Popmusik, die der Weltmusikfan natürlich nie an seinen Player lassen würde, mit dem in zweckmäßige Elektronik verpackten hymnisch sehnsuchtsvollen Gesang. Hier hört man die Weite. Den hohen Himmel. Dann und wann ein Pferd. Von der Sonne zerschlissen und im Endlosloop leiernd zum Ruckeln des Autos kann so eine Kassette für meditative Höchstleistungen sorgen.

In der Stadt aber kennt der Mongole andere Schlachtrufe. Vor ziemlich genau zwei Jahren war dafür in Ulan Bator ein großes Zelt aufgebaut, in dem sich weit nach Mitternacht hunderte von Mongolen trafen, mit Fahnen in der Hand, und viele hatten sich auch kriegsbemalt, die allermeisten mit hier gerade gern spazieren gefahrenen Farben, und so brüllten sie, nicht einer, nicht zwei, sondern Hunderte, genau das: „Deutschland!“ Und knallten mit dem Bierhumpen auf den Tisch und brüllten wieder „Deutschland!“ Deswegen hat Deutschland ja auch gewonnen, gegen Portugal, beim „kleinen Finale“ der Fußball-WM, während man als Deutscher still und etwas verschämt an seinem Tisch in diesem Zelt saß und sich ein klein wenig fürchtete, dass die jetzt gleich wieder ihre Pferde satteln und gen Westen reiten. Wie einst Dschingis Khan.

Wenn man aber draußen in der Wüste einen Mongolen singen hört, verliert sich aller Schmerz.

Die Weite. Der hohe Himmel. Das Geheimnis des Obertongesangs. Alles zu hören bei Sainkho Namtchylak. Hier auch experimentell durchbrochen, mit elektronischen Störgeräuschen. Sie stammt aus Tuwa, Teil der russischen Föderation, der sich aber neben der Landschaft auch die Kultur mit der Mongolei teilt. Am Donnerstag singt Sainkho im Ausland. THOMAS MAUCH