: Die Sicht nach außen
Das internationale Lumix-Festival für jungen Fotojournalismus versteht sich als Gegenpol zur Boulevard- und Kunstfotografie: Auf dem Expo-Gelände in Hannover zeigen bis Sonntag 60 FotografInnen Arbeiten, die sich mit sozialer Wirklichkeit beschäftigen
Dieter Bohlens Freundin im Supermarkt, das wäre so ein Beispiel für ein Foto, das Rolf Nobel gar nicht schätzt. Nobel ist Professor der Studienrichtung Fotografie der Fachhochschule Hannover und Mitinitiator des Lumix-Festivals für jungen Fotojournalismus. Auf dem Lumix-Fesitval sind Arbeiten von 60 Fotografen aus 21 Ländern zu sehen. Der Schwerpunkt liegt auf sozialen Themen: Das Festival versteht sich als Gegenpol zum fotojournalistischen Boulevard, es wird ausgerichtet von der Fachhochschule Hannover und der Fotojournalisten-Organisation FreeLens und findet noch bis Sonntag auf dem Expo-Gelände in Hannover statt.
Die 60 jungen Künstler sind nicht älter als 35 Jahre, zeigen Fotoreportagen, Essays und Serien und wurden ausgewählt aus insgesamt 437 Bewerbern. Diesen Samstag wird eine fünfköpfige Jury die besten drei Arbeiten des Lumix-Festivals prämieren. Außerdem wird ein Publikumspreis vergeben.
Mehr als 1.300 Bilder sind zu sehen – zu viele, um sie bei einem Rundgang zu verkraften. Darunter sind eindrucksvolle Sozialreportagen wie die von Justin Jin: Er fotografierte in einer chinesischen Jeansfabrik, der Schweiß und die Schmerzen der Wanderarbeiter werden beim Betrachten der Bilder quasi fühlbar. Der Italiener Massimo Berruti hat Kindersklaven auf der indonesischen Insel Bali begleitet, die an Blinde verkauft werden und diese ein Leben lang als „Guides“ begleiten. Diese Serie ist düster schwarz-weiß in Szene gesetzt.
Begleitet wird die Ausstellung von einem umfangreichen Rahmenprogramm. Sieben international bekannte Fotojournalisten werden Vorträge halten, darunter Thomas Höpker, Kai Wiedenhöfer und das Fotografen-Paar Heidi und Hans-Jürgen Koch. Sie sprechen über den Einstieg ins fotografische Berufsleben oder die neuesten Entwicklungen bei journalistischen Auseinandersetzungen um Bildrechtsverletzungen. In einer Technik-Schau werden mehrere Kamerahersteller ihre neuesten Produkte zeigen. Darüber hinaus gibt es eine fotospezifische Buchhandlung und Podiumsdiskussionen, die sich um Themen wie das Fotostudium, Sozialfotografie und erste Auftritte in Redaktionen drehen werden.
Von anderen Fotofestivals unterscheidet sich das Lumix-Festival durch sein enges Kernprofil. Gezeigt werden rein dokumentarische Bildgeschichten mit journalistischem Interesse. Grenzen zwischen einem künstlerischen und einem journalistischen Foto zu ziehen fällt allerdings auch Fotografieprofessor Rolf Nobel schwer: „Ich sehe die Aufgabe des Fotojournalismus darin, ein Dokument der Menschheitsgeschichte zu schaffen. Der Hauptunterschied besteht darin, dass das Kunstfoto die Sicht nach innen richtet. Das journalistische Foto aber richtet die Sicht nach außen und legt seinen Augenmerk auf Dinge, die außerhalb der breiten Beobachtung liegen.“
Nobel sieht den Fotojournalismus in einer Krise, der dringend Abhilfe geschaffen werden müsse. Zu selten würden soziale Wirklichkeiten dargestellt. Allerdings sei ein Bild ohne Kontext völlig wertlos. „Das Foto ist das Sahnehäubchen des Journalismus“, sagt Nobel.
In zwei Jahren soll wieder ein solches Festival stattfinden, das den jungen Journalisten vor allem dazu dienen soll, Netzwerke zu knüpfen und entdeckt zu werden. KRISTINA GERSTENMAIER
Bis Sonntag, 22. Juni auf dem Expo-Gelände in Hannover. Tägl. geöffnet von 10 bis 20 Uhr. Infos: www.fotofestival-hannover.de