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Archiv-Artikel

Das ganz große Zwergenprogramm

Chancenlos sein ist auch eine Chance. Es müssen nur alle anders spielen. Und das ohne ihren gesperrten Trainer

TENERO taz ■ Ganz klein haben sie sich gemacht die Deutschen, zum Fußballzwerg haben sich sich heruntergeredet. Und sie fühlen sich wohl in der Rolle des Außenseiters. Portugal ist „sicher“ der Favorit, meint der Bundestrainer. Er kann seine Mutmaßung heute aus der Distanz eines Tribünenplatzes überprüfen, für das Viertelfinale ist Joachim Löw gesperrt worden wegen seines zu engagierten verbalen Einsatzes im Spiel gegen Österreich. Jeglicher Kontakt zur Mannschaft ist ihm während des Viertelfinals nun untersagt.

Bastian Schweinsteiger hingegen darf wieder mitmachen. Für ihn sind die Portugiesen der Topfavorit auf den Titel, sagte er gestern. Sie hätten „überragend gespielt“ bislang. Keine Chance also für die Deutschen?

Einer jedenfalls fühlt sich bestens vorbereitet: Jens Lehmann, der Torwart, der sich wieder sicher fühlt, seit die Deutschen gegen Österreich (!) zu Null gespielt haben. Er geht davon aus, dass Andreas Köpke, der Torwartrainer, ihm wieder, so wie schon im WM-Viertelfinale, ein Zettelchen vorbereiten wird, auf dem die Vorlieben möglicher portugiesischer Elfmeterschützen verzeichnet sind. Ob das Notizzettelchen zu einer Fußballreliquie wird, hängt davon ab, ob es die Deutschen schaffen, das Spiel offen zu gestalten.

Lehmann hat auch gesagt, dass es sein früherer Klub, der FC Arsenal, regelmäßig geschafft habe, Cristiano Ronaldo zumindest weniger gefährlich zu machen, als er es üblicherweise ist. Lehmanns Tipps sollten Arne Friedrich und Philipp Lahm beherzigen. Wenn Ronaldo über die Außenpositionen kommt, links oder recht, darf ihnen kein Fehler unterlaufen. Könnte klappen, wenn Lahm so gut spielt, wie er es öfter macht, und Friedrich ähnlich überragend agiert, wie im WM-Viertelfinale gegen den Argentinier Carlos Teves. Das defensive Mittelfeld braucht Abräumerqualitäten, nicht nur gegen Ronaldo, auch gegen Deco, dem kein Platz gegeben werden darf für seine Pässe, die er nach schwacher Saison plötzlich wieder schlägt. Michael Ballack wird hinten ziemlich beschäftigt sein.

Die Innenverteidigung muss wohl mehr laufen als sonst. Gut stehen allein wird kaum reichen. Per Mertesacker und Christoph Metzelder müssen sich auf eine Rolle als Fehlerausbügler einstellen und sich mit ihren großen Körpern ins Spiel schmeißen. Es könnte ziemlich hässlich aussehen, aber – es könnte klappen.

Das liegt auch daran, dass die Portugiesen keine Meister im dauernden Anrennen sind. Sie haben ihre starken Phasen, in denen sie alles in die Waagschale werfen. Wenn sie früh gestört werden, reagieren sie genervt. Das hat ihr vielleicht doch nicht ganz so überragendes Spiel gegen Tschechien gezeigt. Hier ist wieder das Mittelfeld gefragt, dem es endlich gelingen könnte, das Spiel sinnvoll zu eröffnen, egal ob Torsten Frings mit seinem Rippenbruch spielen wird oder ob Thomas Hitzlsperger ihn ersetzt.

Deco und Ronaldo machen nicht viel für die Defensive. Im offensiven Mittelfeld will Bastian Schweinsteiger „Gas geben“ gegen die Portugiesen – eventuell gemeinsam mit Lukas Podolski, der wegen seiner Wadenprobleme gestern abseits von der Mannschaft im Fitnessraum Spezialeinheiten zu verrichten hatte. Vielleicht könnte so das Loch im Mittelfeld gestopft werden, das gegen Österreich die Stürmer weit von der restlichen Mannschaft getrennt hat. Und wenn die Stürmer dem Mittelfeld endlich mehr Angebote machen, könnten sie sogar regelmäßig an den Ball kommen. Dann müssten sie nur noch treffen. Nur noch? ANDREAS RÜTTENAUER