: Hiddinks Händchen
Endlich mit Superstar Arshavin beeindruckt Russland im entscheidenden Spiel gegen Schweden und steht nun im Viertelfinale
AUS INNSBRUCK RONNY BLASCHKE
Als Guus Hiddink im Sommer 2006 seinen Job als russischer Nationaltrainer antrat, war er nicht überall willkommen. Konservative Trainer und Funktionäre in Moskau fragten, wo Patriotismus und Nationalstolz bleiben, wenn ein Ausländer die wichtigste Mannschaft des Landes übernehme. Nicht zum ersten Mal ist für Hiddink aus Ablehnung Respekt geworden.
„Das war mehr als Fußball“, sagte Hiddink nach dem 2:0 gegen Schweden in Innsbruck. Und erntete da auch skandinavischen Respekt. „Wollen Sie nicht mal das schwedische Team betreuen“, fragte ein Journalist. „Ich werde älter“, antwortete Hiddink: „Aber ich komme nach Schweden. Irgendwann – als Tourist.“
So weit ist es gekommen: Wenn eine etablierte Mannschaft in einem schwarzen Loch zu versinken droht, wächst nicht die Sehnsucht nach einem Wunder – sondern nach Hiddink. Der 61-Jährige ist mit Russland ins Viertelfinale eingezogen, der größte Erfolg bei einer EM seit zwei Jahrzehnten. Nun kommt es zur Wiederauflage des Finals, das Russland damals, 1988 in Deutschland, gegen Holland verlor.
„Ich bin sehr stolz auf meine Mannschaft“, sagte Hiddink. „Sie hat in kurzer Zeit einen riesigen Fortschritt gemacht.“ Von Beginn an hatten seine Spieler die schwedischen Abwehrspieler wie Hinterhofkicker aussehen lassen, ihr schnelles, schnörkelloses, passsicheres Angriffsspiel gehörte zu den eindrucksvollsten Leistungen dieses Turniers. Roman Pavlyuchenko erzielte die Führung, Andrej Arshavin den Entstand. Der Stürmer des Uefa-Pokal-Siegers Zenit St. Petersburg, der in den ersten beiden EM-Partien gesperrt war, wurde zum Spieler des Spiels gewählt.
Doch Russland ließ auch viele Chancen ungenutzt. „Das dürfen wir uns nicht mehr erlauben“, sagte Hiddink. „Das wird bestraft.“ Für ihn wird es eine besondere Partie, er trifft auf auf das Team seiner Heimat, 1998 hatte er selbst Holland ins WM-Halbfinale geführt. Er ist entschlossen, am Samstag erfolgreich zu sein. Er wolle es gegen Holland „machen“, sagte Hiddink. Ob er damit meine, er wolle gewinnen, wurde er da gefragt. Das bestätigte er.
Hiddink wertete das Weiterkommen der Russen als historische Chance: „Es ist wichtig, diesen Moment zu nutzen, um die Infrastruktur und den Nachwuchs im russischen Fußball zu verbessern.“ Viele Russen fürchteten, seine Arbeit sei ein Kurzzeitprojekt. So hatte er es in Südkorea gehandhabt, lange war er kritisiert worden, dass er zu wenig Zeit mit dem Team verbringen würde. Aber er führte das Team zu Platz vier bei der WM 2002. Vier Jahre später erreichte er mit Australien das WM-Achtelfinale, parallel zu diesem Job hatte er zuvor den PSV Eindhoven zur Meisterschaft geführt.Wo Hiddink war – da war Erfolg. Auch die Russen haben sich in seine Abhängigkeit begeben. Nach dem Kollaps der Sowjetunion folgten Jahre des Durchschnitts. Nun träumen die Russen von Erfolgen, wie sie frühere Generationen erreicht haben: 1960 gewann die UdSSR die erste EM, dreimal wurde sie Zweiter.Hiddink hat sich viel Macht zusichern lassen; auch dank des Oligarchen Roman Abramowitsch, der nicht nur in den FC Chelsea investiert, sondern auch in die Nationale Fußball-Akademie, soll er einer der bestbezahlten Trainer der Welt sein.
Systematisch hat er alternde Spieler durch Talente ersetzt, und die offenbar mit seiner größten Stärke beeindruckt: der Motivation. Da er mit seiner Überzeugungskraft gerade wieder einmal erfolgreich ist, verstummt nun vielleicht die Debatte um die Fortführung seiner Arbeit in Russland.
Russland: Akinfeev – Anjukov, Ignashevich, Kolodin, Zhirkov – Semak – Zyryanov, Semshov, Bilyaletdinov (66. Saenko) – Arshavin, Pavlyuchenko (90. Bystrov) Schweden: Isaksson – Stoor, Mellberg, Hansson, Nilsson (79. Allbäck) – Elmander, Svensson, Andersson (56. Källström), Ljungberg – Henrik Larsson, Ibrahimovic Tore: 1:0 Pavlyuchenko (24.), 2:0 Arshavin (50.)