piwik no script img

der kommentarWarum die Deutschen eine Turniermannschaft sind

Eine Turniermannschaft ist eine Turniermannschaft ist eine Turniermannschaft. Da ist sie wieder, die älteste Erkenntnis, seit es eine deutsche Fußballnationalmannschaft gibt. Geht es ihr in der Vorrunde schlecht, wird sie flugs von allen abgeschrieben, sinken die Wettquoten und tönen die Unkenrufe in Megafon-Lautstärke, dann, ja dann wird aus einer normalen Mannschaft jene weltweit gefürchtete Turniermannschaft.

Es ist eine merkwürdige Metamorphose, die sich immer wieder vollzieht, ein seltsamer Regelfall, dem sich andere, vermeintlich überlegene Mitbewerber um EM- oder WM-Titel zu beugen haben. Er kommt wie ein Newton’sches Naturgesetz über sie. „So ist das halt mit den Deutschen, wir wissen auch nicht, wie sie das anstellen“, sagen die anderen und zucken mit den Schultern. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) aber hütet seit vielen Jahren die Rezeptur, wie ein Lagerkoller vermieden wird und aus mediokren Balltretern innert Tagen Superkicker werden.

Es muss wohl so vor sich gehen wie bei der Seidenraupe. Ein hässlicher Wurm (DFB-Team in der Vorrunde) spinnt sich ein in einen Kokon (Teamquartier am Lago Maggiore) und schlüpft als hübscher Falter (Viertelfinale in Basel). Ja, so muss man sich das vorstellen.

Ihnen geht es ja auch gut in ihrem Chateau. Fünfsternehotel, Wünsche werden von den Lippen abgelesen, die Playstation steht überall bereit, Olli Bierhoff mimt den kreglen Herbergsvater, und groß behelligt von der Außenwelt werden sie eh nicht. Sie können sich in ein Stadium höchster Konzentration versetzen, mit allen Symptomen: Tunnelblick, anschwellende Euphorisierung und rauschhafte Zustände auf dem Spielfeld.

In dieser Phase wird dann auch wieder von deutschen Tugenden fabuliert. Physisch robust wie eh und je sei das deutsche Team, unglaublich willensstark und erst dann bezwungen, wenn sie tatsächlich mit hängenden Köpfen im Teambus sitzen. Das Klischee von der deutschen Turniermannschaft hat sich längst verfestigt.

Zu Recht. Denn die Realität bedient das Stereotyp immer wieder aufs Neue.

Da kann man einfach nichts machen. Die Deutschen sind bis zum Beweis des Gegenteils eine Turniermannschaft, eine Turniermannschaft, eine Turniermannschaft. MARKUS VÖLKER

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen