piwik no script img

Archiv-Artikel

Lateinamerikas Wut über EU-Abschiebepolitik

Andengemeinschaft setzt Verhandlungen über EU-Handelsabkommen aus, Mercosur plant Gipfelberatungen

PORTO ALEGRE taz ■ Aus Protest gegen die neue EU-Abschieberichtlinie will Ecuadors Präsident Rafael Correa die Verhandlungen über ein Assoziationsabkommen zwischen der Andengemeinschaft und der EU aussetzen. Die neuen Bestimmungen seien „kriminell und schändlich“, sagte Correa am Samstag. Die am Mittwoch vom EU-Parlament gebilligten Regelungen sehen eine Abschiebehaft für irreguläre MigrantInnen von bis zu 18 Monaten und ein anschließendes Einreiseverbot von bis zu fünf Jahren vor.

Ecuadorianer würden damit in Europa wie Verbrecher behandelt, sagte Correa: „Wir werden hart antworten. Es reicht, dass sie uns treten und demütigen.“ Ecuador hat derzeit den Vorsitz der Andengemeinschaft inne, der auch Kolumbien, Bolivien und Peru angehören. Durch das Assoziationsabkommen, zu dem die EU die Andengemeinschaft seit Jahren drängt, sollen vor allem Zollschranken und Investitionshemmnisse beseitigt werden.

Bereits am Mittwoch hatte Correa von einer „Richtlinie der Schande“ gesprochen. „Wir träumen von der Freizügigkeit der Menschen“, ergänzte sein paraguayischer Amtskollege Fernando Lugo. Das Wirtschaftsbündnis Mercosur aus Argentinien, Brasilien, Paraguay, Uruguay und sechs assoziierten Ländern wies die Bestimmungen in einer scharfen Erklärung kollektiv zurück. Auf dem kommenden Mercosur-Gipfel am 1. Juli wollen sich die Staatschefs auf eine gemeinsame Linie zu den EU-Bestimmungen verständigen.

Brasiliens Außenminister Celso Amorim erklärte, Brasilianer und andere Lateinamerikaner würden in Europa ebenso diskriminiert wie Afrikaner. Unter solchen Umständen sei es sehr schwierig, eine „strategische Partnerschaft“ zu entwickeln. Ebenso wie Boliviens Präsident Evo Morales bekräftigte Amorim das Prinzip der Gegenseitigkeit. Demnach könnten lateinamerikanische Länder bald die Visumspflicht für Europäer einführen.

Der Venezolaner Hugo Chávez hatte am Donnerstag mit einem Lieferboykott für Öl und Konsequenzen für Investoren gedroht: „Stellen Sie sich einmal vor, wir verabschieden eine Abschieberichtlinie für europäische Investitionen.“ GERHARD DILGER