: Nationalpark droht die Versteppung
Die Unesco will einem spanischen Biospährenreservat den Titel entziehen, weil es austrocknet. 60.000 illegale Brunnen für die exzessive Landwirtschaft sind schuld an dem Wassermangel. Spanien will 3 Milliarden Euro investieren
MADRID taz ■ Der spanische Nationalpark Tablas de Daimiel läuft Gefahr, von der Unesco-Liste der Biosphärenreservate gestrichen zu werden, wenn die zuständigen Behörden nicht umgehend Maßnahmen zur Rettung des Feuchtgebietes in Zentralspanien ergreifen. Denn die Lagunenlandschaft rund 180 km südlich von Madrid ist seit Jahren ausgetrocknet. Das ist aber nicht das Ergebnis der lang anhaltenden Trockenheit, unter der die Iberische Halbinsel leidet. Die fortschreitende Verwüstung des Gebietes ist die Folge exzessiver Landwirtschaft. Aus der 5.500 km[2]großen Grundwasserschicht 23, in der sich die Tablas de Daimiel befinden, wird seit Ende der 70er-Jahre mehr Wasser entnommen, als durch die Niederschläge nachfließt. Die Unesco möchte 2011 erste Erfolge sehen. 2015 wird dann endgültig entschieden, ob die Tablas de Daimiel Biosphärenreservat bleiben oder nicht.
Die Lage ist verheerend. Wo einst 1.000 Hektar Land unter Wasser standen und riesige Schwärme von Zugvögel Rast machten, steht heute nur noch vertrocknetes Schilf. Bis auf eine 18 Hektar kleine Fläche sind die Lehmböden überall ausgetrocknet und aufgerissen. Die Stege, auf denen die Besucher promenieren, stehen schon lange auf dem Trockenen. Es gibt kaum noch Wasservögel. Und im Flussbett des Guadianas, eines der beiden Zuflüsse der Tablas de Daimiel, wachsen Sträucher und Bäume.
Die Tablas de Daimiel liegen dort, wo zwei Flüsse zusammenlaufen – der Cigüela und der Guadiana. Der Cigüela ist der typische südspanische Fluss, der im Frühjahr und Frühsommer viel Wasser führt und im Sommer und Herbst fast vollständig austrocknet. Doch das Problem ist nicht der Cigüela, sondern der Guadiana. Er ist ein ganz besonderer Fluss: Er kommt aus den Bergen, versickert schon nach wenigen Kilometern er im Kalkgestein, um 40 Kilometer weiter nur unweit der Tablas de Daimiel im Ojos del Guadiana wieder aufzutauchen. So war das zumindest bis 1987. Seither tritt kein Tropfen mehr an den Tag. Das Flussbett ist heute landwirtschaftliche Nutzfläche.
Schuld daran sind 60.000 illegale Brunnen, die die Landwirte der Region unterhalten. Denn sie pumpen dreimal so viel Wasser ab, wie im Bewässerungsplan legal vorgesehen ist. Der Grundwasserspiegel wurde so auf 23 Meter unter der ehemaligen Austrittsstelle abgesenkt.
Bis Anfang der 70er-Jahre wurde in der Gegend rund um Ciudad Real ärmliche Trockenlandwirtschaft betrieben. Mit der Bewässerung kam dann der Wohlstand durch die Landwirtschaft. Dann kam die Elektrifizierung und kurz darauf der Bau von Tiefbrunnen. Dieser Modernisierungsprozess wurde staatlich bezuschusst. Selbst EU-Gelder flossen nach Ciudad Real.
„Die Unesco entzieht den Tablas de Daimiel nicht etwa den Schutz. Vielmehr waren die Tablas nie ernsthaft geschützt. Seit 28 Jahren tut die Regionalregierung nichts, um das Gebiet zu wahren“, erklärt José Manual Hernández von der Umweltschutzorganisation Ecologistas en Acción. Hernández sitzt im Aufsichtsrat des Naturschutzgebietes. Seit Jahren fordert er, dass die Tablas de Daimiel aus der Unesco-Liste gestrichen werden. „Ihr Schutz diente immer wieder als Ausrede, um aus anderen Regionen per Pipelines Wasser nach Ciudad Real zu transferieren.“ Hernández verlangt eine drastische Verringerung der bewässerten Anbauflächen rund um die Tablas de Daimiel. Nur so könne das Feuchtgebiet langsam, aber sicher zurückgewonnen werden.
„Die Lage ist mehr als ernst“, erklärt auch Javier Viñuela, der für die Sitzung des zuständigen Unesco-Ausschusses jüngst einen Zustandsbericht der Tablas de Daimiel vorbereitet hatte. Er hofft, dass der von den spanischen Behörden entworfene Dringlichkeitsplan umgesetzt wird. Dieser sieht vor, die illegalen Brunnen zu legalisieren und dann die Entnahmemengen neu festzulegen. Wer weniger Wasser verbraucht, als ihm zusteht, soll mit den Rechten handeln dürfen. Dieser Plan soll den Grundwasserspiegel in 20 Jahren wieder auf sein altes Niveau anheben. 3 Milliarden Euro will sich Spanien die Reform kosten lassen.
„Es ist leider nicht der erste Plan“, sagt Viñuela mit resigniertem Unterton. REINER WANDLER