berliner szenen Rot, Schwarz, nix

Wie doof sind die denn?

„Wie doof sind die denn?“, titelte das Gonzojournalistenblatt, das an der Kasse meiner Stammkaufhalle auslag, deren Kette bis vor kurzem noch als Paradebeispiel für Mitarbeiterüberwachung und Ausspionieren galt, vor der Telekom-Sache und so.

Jedenfalls, diese auflagenstärkste Zeitung, in der Auslage direkt neben Knabberei und Kippen, schwarz-rot-goldenen Zahnbürsten und Fußballeiern, macht mit einem Skandal ohnegleichen auf. In einer Grafik der ARD-„Tagesthemen“ wurde die heilige Bundesflagge fehlfarbig dargestellt, was das großbuchstabige Blatt detailverliebt mit „falsche deutsche Fahne“ umschrieb. Jedoch, es gibt nichts Richtiges im Falschen.

Das sehr körperbewusste, mittelalte Pärchen im DFB-Dress in der Schlange weiter vorn, dem man gern abnimmt, ungern öffentlich-rechtlich zu gucken, beginnt beim Erblicken der Verkündung ein Gemurmel. Die im Fernsehen meinten doch bestimmt die belgische Fahne, oder wie? So blöd kann man doch nicht sein! Die ham doch tatsächlich den schwarzen mit dem roten Balken verwechselt, oder wie rum? Wie rum denn jetzt eigentlich? Irgendwie sieht das komisch aus. Ach, egal. Na, jetzt leg mal endlich die Sachen aufs Band! Wir wollen nach Hause.

Vor dem Supermarkt, auf der Rigaer Straße, sind quer über den neu gemachten Asphalt von Haus zu Haus Wäscheleinen gespannt, auf denen die Reste richtiger deutscher Fahnen, mit gestutzten Bundesadlern und ohne, nur noch zu vermuten sind. Gold abgetrennt, Schwarz-Rot übrig. Mit dem Schwarzen Block meint hier keiner eine Bundestagsfraktion. Bissige Freude manifestiert sich, Vertrautheit, ein ganz spezielles Heimatgefühl. Danke, ihr Unbekannten.

NIELS MÜNZBERG