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Archiv-Artikel

Kein Blutvergießen, keine News

In Verden endet heute das Berufungsverfahren eines Schaumburger Neonazis, der einen Schwarzen mit einer Eisenstange attackiert haben soll. Für viele Medien ist der Vorfall kein Thema gewesen – zu unspektakulär

Vor dem Landgericht Verden geht am heutigen Freitag ein Prozess zu Ende. Der Vorwurf: versuchte gefährliche Körperverletzung, das Opfer: ein 23-Jähriger, Hautfarbe: schwarz. Mediale Resonanz fand das Berufungsverfahren gegen Marco Siedbürger von der Neonazi-Kameradschaft „Nationale Offensive Schaumburg“ (NOS), nicht.

Zusammen mit Freunden hatte der 23-Jährige am 3. Februar 2007 in Husum auf ein Taxi gewartet. Von einem Balkon aus wurden sie als „Scheiß Nigger“ bepöbelt: Drinnen feierte Siedbürger, der damals hier wohnhaft war, mit mehreren Kameraden. Man sei als Gruppe vor die Tür gegangen, sagte Siedbürger später, „um zu reden“. Nach Angaben des Opfers hatten die Neuankömmlinge allerdings Teleskopschlagstöcke und eine Eisenstange in den Händen. „Schlagt den Neger tot!“, soll gerufen worden sein. Dem Schlag mit der Stange konnte der 23-Jährige ausweichen.

Bereits in der ersten Instanz nannte er Siedbürger als Täter. Damals schwieg der Beschuldigte, der bereits wegen Körperverletzung mit Todesfolge in Haft war. Jetzt gab er zu, die Eisenstange sei mitgenommen worden – „zum Selbstschutz“. Wichtiger aber ist: Siedbürgers Kamerad Jens Rathenow gestand die Tat. Er ist nicht vorbestraft, während gegen Siedbürger seit seiner Haftstrafe rund 50 Ermittlungsverfahren liefen. Schon in einem anderen Verfahren hatte die NOS einen solchen „Sündenbock“ präsentiert. Damals ohne Erfolg.

Offen ist derzeit auch welche rechtlichen Folgen ein Übergriff am 12. Juni haben wird: An jenem Abend soll Siedbürger im niedersächsischen Wunstorf mit einer Gruppe Neonazis zwei vermeintlich linken Jugendlichen aufgelauert haben. Nach Angaben einer der beiden bespuckte Siedbürger sie und schlug ihr in den Bauch. Schlagzeilen macht auch dieser Vorfall keine.

Überhaupt klagen Beratungsstellen für Opfer rechter Gewalt zunehmend über Schwierigkeiten, mit ihrer Arbeit Gehör zu finden: „Die ständige rechtsextreme Gewalt findet kaum noch mediale Resonanz“, sagt etwa Claudia Teichmann von der Landesweiten Opferberatung, Beistand und Information in Mecklenburg-Vorpommern (Lobbi). Nur wenn die „Tat besonders brutal“ verlaufen oder das „Opfer irgendwie prominent“ sei, würde sofort berichtet. „Sind die Opfer ‚bloß Jugendliche oder Alternative‘, frage kaum noch wer nach“, sagt Teichmann – das gelte auch für die anderen nördlichen Bundesländer. ANDREAS SPEIT