: Gericht kippt Ausgleichsplan
Die Aufwertung eines Naturschutzgebiets taugt nicht als Ersatz für die Zerstörung eines anderen
AUS HAMBURG GERNOT KNÖDLER
Die Zerstörung eines europäischen Naturschutzgebietes kann nicht dadurch ausgeglichen werden, dass ein anderes europäisches Naturschutzgebiet aufgewertet wird. Das hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Schleswig jetzt im Fall der Airbus-Fabrik in der Elbbucht Mühlenberger Loch entschieden. Das Gericht bestätigte ein gleich lautendes Urteil des Verwaltungsgerichts. Eine Revision ließ es nicht zu.
Der Fall ist nach Ansicht von Juristen von grundsätzlicher Bedeutung. „Es kann passieren, dass die Zulassung mancher Großvorhaben scheitert“, sagte der Anwalt der klagenden Naturschutzverbände BUND und Nabu, Rüdiger Nebelsieck. Wenn Flächen aus dem europäischen Schutzgebietsnetz Natura 2000 dem Grundsatz nach nicht für eine Kompensation in Frage kämen, könnte es bei künftigen Projekten schwierig werden, Ausgleichsflächen zu finden. Wie weitreichend das Urteil ist, lässt sich erst sagen, wenn die schriftliche Begründung vorliegt.
Das Mühlenberger Loch ist als seltenes Süßwasserwatt eine Drehscheibe des europäischen Vogelzuges. Als Schutzgebiet nach der Flora-Fauna-Habitat- (FFH) und der Vogelschutz-Richtlinie der EU ist es Teil des Netzes „Natura 2000“. Um die Hamburger Airbus-Fabrik erweitern zu können, wurde die Elbbucht auf Grundlage einer Ausnahmegenehmigung aus Brüssel zum Teil zugeschüttet. Zum Ausgleich wurden Teile einer Elbinsel in Wattflächen verwandelt; außerdem sollte die Haseldorfer Marsch für den Tideeinfluss der Elbe neu geöffnet werden.
Nabu und BUND haben gegen das zweite Projekt geklagt und jetzt Recht behalten. Die Haseldorfer Marsch sei bereits ein EU-Vogelschutzgebiet, urteilte das Gericht. Folglich scheide sie als Ersatzfläche aus. Es sei nicht nötig, deren ökologische Funktionsfähigkeit aufzuwerten. „Das absurde Ergebnis dieses Ausgleichs wäre gewesen, dass es statt zweier hochwertiger Schutzgebiete mit unterschiedlicher Funktion nur noch eines mit einer anderen Funktion gegeben hätte“, so die BUND-Vorsitzende von Schleswig-Holstein, Sybille Macht-Baumgarten.
Aus Sicht der städtischen Realisierungsgesellschaft für die Airbus-Erweiterung (Rege), ist das Urteil „nicht überraschend“, sagte Rege-Sprecher Karl-Olaf Petters. Eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ist möglich. Im Vorgriff auf das Urteil hat die Rege begonnen, die Aufwertung eines anderen FFH-Gebiets stromaufwärts von Hamburg zu planen. Damit solle vor allem das Naturschutzgebietsnetz „Natura 2000“ gestärkt werden.
Aus Sicht des Naturschutzes problematisch ist, dass die Teilzuschüttung des Mühlenberger Lochs sieben Jahre später noch immer nicht ausgeglichen ist. Das EU-Recht schreibt vor, dass der Ausgleich mit Beginn des Projekts geschaffen sein soll. Weil es damals kein Verbandsklagerecht gab, konnte dies nicht eingeklagt werden. Die EU-Kommission drückte auf Wunsch des damaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder (SPD) ein Auge zu.