hamburger szene : Party ohne Ende
Ein abgeschlagener Schweinekopf prangt oben auf einer Verkehrsampel an der Budapester Straße – im Maul eine Deutschlandflagge. Hat den Kopf da jemand in kritischer Absicht angebracht? Soll das vielmehr besondere Hingabe bedeuten? Jedenfalls rückt die Feuerwehr an, um dem makaberen Spiel ein Ende zu bereiten. Es ist ein Ausrutscher ins Extrem an diesem Spätnachmittag vor dem Finale. Ein paar hundert Meter weiter zieht die Menschenmenge vorbei, in schwarz-rot-gold, auf das Heiligengeistfeld.
Es wirkt wie eine gigantische Oberstufenfeier und ist gleichzeitig das Fanfest. Ein paar Spanier sind auch unter den Menschen: drei, vier mögen es sein. Alle sind friedlich, die Stimmung ist nur latent hysterisch. Ballack spielt. Die Europameisterschaft schafft, was sonst so selten gelingt. Entspannt und fröhlich geht es auf den Straßen und Plätzen zu, von ein paar Ausnahmen abgesehen. Das Leben findet wie schon bei der Weltmeisterschaft für ein paar Wochen öffentlich statt.
Aber wie soll es weitergehen, heute, wenn das alles vorüber ist und weder Katerstimmung noch Euphorie die Aufmerksamkeit der Menschen lenken? Wenn kaputte Drucker in der Firma, das Rauchverbot und die Steuerpolitik die Gesprächsrunden zurückerobern? Wo bleibt das Flirren? Vielleicht würde ein permanentes Public Viewing helfen, die Bundesligasaison begleitend von August bis Mai – und am Ende käme der Gewinner garantiert aus Deutschland. JAN WEHBERG