: Debakel für den Kronprinzen
Landesparteitag straft Hamburgs CDU-Vorsitzenden Michael Freytag mit schlechtem Wahlergebnis ab und offenbart die tiefen Risse in der Elb-Union. Früh eröffnet wird damit auch das Rennen um die Nachfolge von Bürgermeister Ole von Beust
Während Hamburgs CDU ihren Vorsitzenden öffentlich abstrafte, ging die Grün-Alternative Liste lieber hinter verschlossenen Türen in Klausur. In den Räumen eines Hotels diskutierten Neu-SenatorInnen, Abgeordnete und der Parteivorstand ihre zukünftige Zusammenarbeit sowie Konzepte für eine effektivere Öffentlichkeitsarbeit und die Präsenz in den Hamburger Wahlkreisen. Jens Kerstan, Chef der Bürgerschaftsfraktion, erklärte am Sonntag, das Treffen sei „sehr erfolgreich“ gewesen. Auf der Grundlage der Erfahrungen der ersten 50 Tage im Amt habe man besprochen, „wie wir die Regierungsprojekte optimal umsetzen“. MAC
von MARCO CARINI
Das Gesicht zur Grimasse gefroren, das Lächeln versteinert, nimmt Michael Freytag den müden Applaus der gut 200 Delegierten am Samstag im Bürgerhaus Hamburg-Wilhelmsburg entgegen. Zehn Sekunden zuvor hatte der CDU-Landeschef eine Klatsche gefangen, mit der auf diesem Parteitag wohl niemand gerechnet hatte.
Nicht einmal 73 Prozent der 213 Delegierten haben den 50-jährigen gerade im Amt bestätigt; 151 Ja-Stimmen stehen 56 Nein-Stimmen und sechs Enthaltungen gegenüber. Ein Debakel für Freytag in einer Partei, die sich bislang durch Abstimmungsergebnisse ausgezeichnet hatte, die eher an das SED-Regime erinnerten, als an gelebte Demokratie. Auch Freytag selbst erhielt bei seiner Inthronisierung 2007 noch 93 Prozent.
Als „absolut ungewöhnlich“ empfindet der Bürgerschaftsabgeordnete Heiko Hecht das Micker-Ergebnis, während die neue Wissenschaftssenatorin Herlind Gundelach es „normal“ nennt, dass „bei der Bestätigung eines Parteivorsitzenden das Ergebnis schlechter ausfällt als bei seiner Erstwahl“. Ein anderer Delegierter erklärt das Ergebnis damit, dass die zahlreich vertretenen CDU-Bezirksabgeordneten Freytag dafür abstrafen wollen, dass sie seit Jahren nur eine Mini-Aufwandsentschädigung von monatlich gut 200 Euro erhalten; wieder andere Delegierte glauben, dass eine Rest-Skepsis gegenüber Schwarz-Grün auf Freytag als Mitarchitekten der Koalition zurückfallen musste.
Hinter vorgehaltener Hand werden die Delegierten, die Freytag ihre Stimme versagt haben, noch deutlicher. „Das System Freytag ist abgestraft worden“, erklärt ein Bürgerschaftsabgeordneter. Des Landeschefs Führungsstil sei „autoritär und undemokratisch“. Der CDU-Obere fördere nur seine Getreuen, stelle unliebsame Parteifreunde kalt und ersticke jede innerparteiliche Diskussion. Das lasse sich die Partei „nicht mehr gefallen“, sagt einer.
Als Beispiel für den bemängelten Führungsstil mag nicht nur herhalten, dass der Punkt „Aussprache“ auf dem Parteitag ersatzlos ausfiel: Kein einziger Delegierter wagte es, das Wort zu ergreifen. Vor allem ist es Freytags Umgang mit dem neuen Wirtschaftssenator Axel Gedaschko, dem viele CDUler eher zutrauen, einmal Regierungschef Ole von Beust zu beerben. Freytag, der designierten Kronprinz, aber habe den Kontrahenten „kastriert“, heißt es unter den Parteimitgliedern: Er trag mit dafür Sorge, dass Gedaschkos Ressort die Bereiche Medien- und Energiewirtschaft entzogen wurden.
Damit ist der Kampf um die Nachfolge von Beusts, der noch mindestens bis 2012 regieren will, frühzeitig entbrannt. „Wir haben nur mit Gedaschko eine Chance“, glaubt eine CDU-Funktionärin. Freytag habe „kein Charisma“ klagt ein Delegierter, habe noch „nie ein inhaltliches Konzept vorgelegt“, sei unfähig, mit Kritik umzugehen und bei seinen öffentlichen Auftritten eine „Phrasendreschmaschine.“
Als wolle er dies bestätigen, witzelte Freytag über seine Abstrafung hinweg: Er nehme das Ergebnis „sportlich“, da es „den unglaublichen Charme habe“, bei der nächsten Vorstandswahl „sehr gut steigerungsfähig zu sein“. Die Schuld an der Klatsche schiebt er auf Schwarz-Grün – weit weg von sich selbst: Da habe es wohl noch Kritik gegeben, für die seine Wahl als „Ventil“ habe herhalten müssen. Viele derjenigen, die Freytag das Vertrauen entzogen haben, betonen hingegen, sie stünden „hinter dieser Koalition“ – und ihr Votum habe damit „gar nichts zu tun.“
Doch auch andere Personalien beschäftigen an diesem Samstag die Elb-CDU: Zu Freytags Stellvertretern werden – ohne Gegenkandidaten – Fraktionschef Frank Schira (83 Prozent), der Bundestagsabgeordnete Marcus Weinberg (82,5 Prozent), die frühere Sozialsenatorin Birgit Schnieber-Jastram (78,4 Prozent) und die Bürgerschaftsabgeordnete Aygül Özkan (72,4 Prozent) gewählt. Die 36-jährige Leiterin eines Logistikunternehmens ist die erste CDU-Landesvorständlerin mit Migrationshintergrund, möchte jedoch nicht als „Quoten-Migrantin“ sondern als „Wirtschaftsfachfrau“ gesehen werden.
Wirklich inhaltlich wurde es indes nur bei einer mit Spannung erwarteten, dann aber farblos ausfallenden Rede Ole von Beusts: Der Erste Bürgermeister nutzte die Gelegenheit, die Richtung für die Haushaltsverhandlungen vorzugeben – die bereiten der Regierung aufgrund der Koalitionsversprechen vor allem in der Bildungs- und Klimapolitik Kopfzerbrechen. Beust unterstrich, dass eine Neuverschuldung und die Reduzierung von Hafensubventionen nicht in Frage kämen, stellte aber zwei Prestigeprojekte zur Disposition – das „Science-Center“ in der Hafencity sowie die Hamburger Bewerbung darum, 2015 das Hochschul-Sport-Event „Universiade“ ausrichten zu dürfen.