: „Alles wunderbar, alles wundervoll!“
Michel Platini, Chef des Verbandes zur Beglückung der Menschen durch Fußball, kurz Uefa, ist sehr zufrieden mit der EM 2008. Große Sorgen macht ihm allerdings das nächste Turnier, das in der Ukraine und in Polen stattfinden soll
WIEN taz ■ Wer ist eigentlich die Uefa? Ratlose Fußballfans rätseln. Sind das die Freiwilligen in ihren hellblauen T-Shirts, die hilfsbereit, brav und fußballbegeistert sind, weil sie in Basel, Genf, Innsbruck oder Wien als Volunteers allerorten Auskunft zu geben wissen? Oder stehen für die Uefa eher die Securities in schwarzen Anzügen stramm, die stets finster schauen, wenn irgendein Wichtiger dieser Fußballwelt an einem Spielort auftaucht? Dann trifft man nämlich unweigerlich auch offizielle Offiziere an, die Anstecker mit der Aufschrift „Uefa“ tragen, immer busy, immer verkabelt und immer wichtig sind.
Alle Spuren sind richtig, all diese Menschen, schätzungsweise 10.000, haben der Union des Associations Européennes de Football, kurz Uefa, bei dieser Europameisterschaft gedient. Und das bestens. „Alles war wunderbar, alles war wundervoll“, hat ihr Präsident Michel Platini jetzt gesagt, und all seinen unentgeltlich und entgeltlich Dienenden ausgesprochen herzlich Danke gesagt.
Was eine feine Geste des Franzosen war, denn der Dienst sei ja ein ausgesprochen guter gewesen: „Die Uefa hat die Aufgabe, die Menschen mit dem Fußball glücklich zu machen und ein schönes Image zu vermitteln.“ Die Uefa ein Gutmensch? Eigentlich ist die Uefa eher ein schnöder Verein – zumindest nach Artikel 60 ff. des Schweizerischen Zivilgesetzbuchs. Aber in Wahrheit ist die vor 54 Jahren in Bern gegründete und nunmehr in Nyon residierende Konföderation ein höchst profitables Weltunternehmen. Respektable 1,25 Milliarden Euro zieht der Gigant aus diesem Championat, 56 Prozent mehr als vor vier Jahren in Portugal. Und der operative Gewinn beträgt unglaubliche 650 Millionen Euro.
Auch wenn von den gewaltigen Summen, für die maßgeblich die Einnahmesteigerungen bei den Medien- und Marketingrechten sorgten, etliches wieder an die 53 Mitgliedsverbände zurückfließt, so verbleibt doch ein hübscher Anteil bei der Uefa, „beim Haus des Fußballs“, wie der eloquente Boss klarstellt. Fraglich aber ist, ob sich die Rekordwerte in vier Jahren einfach weiter so steigern lassen. Platini und seinen Gefolgsleuten dämmert allmählich, dass die Vergabe der EM 2012 nach Polen und in die Ukraine ein ähnliches Eigentor sein könnte, wie es die Fifa mit der WM 2010 für Südafrika fabriziert haben dürfte. Neben politischer Instabilität in den auserkorenen Ausrichterländern sind es Mängel in der Infrastruktur, beim Transport und in Sicherheitsfragen, die den Funktionären nun Kopfzerbrechen bereiten. Und in Polen weiß noch keiner, wer genau die Modernisierung der Spielstätten in Gdansk, Chorzow oder Krakow finanzieren soll. Kaum eine Frist, wurde bislang eingehalten. Dem Uefa-Präsidenten wird das nun zu bunt: Der 53-Jährige bricht am Mittwoch mit einer zwölfköpfigen Delegation nach Kiew und Warschau auf, um Politikern und Verbandspräsidenten Dampf zu machen.
„Ich habe Dossiers in verschiedenen Farben bei mir, in denen alle Probleme aufgelistet sind“, sagt Platini in sarkastischem Tonfall. „Und diese Dossiers sind nicht dünn. Ich werde größere Kopfschmerzen wegen Polen und der Ukraine haben als wegen des Weingenusses.“ Er droht unverhohlen: „Sollte es in den Hauptstädten Kiew und Warschau keine Stadien geben, gehen wir nicht dahin. Es gibt einiges zu klären. Die Liste ist lang.“ Und die Zeit drängt: Bereits auf der Sitzung des Uefa-Exekutivkomitees im September in Bordeaux soll eine definitive Entscheidung fallen.
Als Ersatzkandidaten kommen offensichtlich Spanien und Italien infrage – obwohl der Uefa-Boss Gerüchten widersprach, er habe speziell mit spanischen Verbandsvertretern schon mal vorsorglich über die Rolle als Ersatzausrichter gesprochen. Sinn würde das machen: Nach der WM 1982 wartet die Iberische Halbinsel längst auf ein weiteres Fußballgroßereignis, neue Arenen wie in Valencia werden ohnehin gebaut, und der Erfolg der „Seleccion“ bei dieser EM hat sogar Begeisterung für die eigene Nationalelf entfacht.
An einer weiteren Stellschraube möchte Martin Kallen, Geschäftsführer der für die Gesamtorganisation verantwortlichen Euro 2008 SA, drehen. „Der Schwarzmarkt hat geblüht wie verrückt“, hat der 44-jährige Turnierdirektor festgestellt, „das hat uns nicht wirklich gefallen.“ Zum einen seien Tickets im großen Stil veräußert worden, zum anderen horrende Preise verlangt und gezahlt worden. Doch wie man die ewig vertrackte Situation mit den Eintrittskarten in den Griff bekommen könne, darauf weiß der findige Problemlöser aus dem Berner Oberland auch keine Antwort. Und das einzugestehen heißt schon was für die Männer von der Uefa.
FRANK HELLMANN