Überzeugende Inhalte fehlen

betr.: „Ungeliebte Demokratie. Ohne Vertrauen. Eine Studie schreckt die Republik“, taz vom 30. 6. 08

Werden die Ziele und Ideale einer Demokratie von ihren mächtigsten RepräsentantInnen Bush, Sarkozy, Berlusconi, Merkel, Olmert und anderen überzeugend verkörpert? Ihre Botschaft ist – gemessen an ihren Taten – Krieg, Rechtsbruch, Lüge und Korruption, wachsende soziale Kluft und das Bedienen der Interessen von Konzernen und Reichen. Von ihrer formaldemokratisch legitimierten Politik (und auch der ihrer Parteien) profitieren überwiegend Reiche und Mächtige – und das Vertrauen in wirkungsvolle Einflussnahme durch Wahlen geht verloren.

Allerdings ist genau diese Politik, die die Welt nicht bewohnbarer macht, sondern ungerechter, und die die Würde des Menschen an seinem Marktwert misst, von der politischen Elite bewusst mit Demokratie gleichgesetzt worden. Kritik am Kapitalismus wurde als Gefährdung der Demokratie behandelt und geahndet, und die Gegner der neoliberalen „Reformen“ werden vom Verfassungsschutz beobachtet. Demokratie soll in den Köpfen mit dem marktradikalen Kapitalismus zusammenwachsen; das Votum des Volkes in Grundsatzfragen wird trickreich vermieden.

Gewaltenteilung und freie Wahlen bilden noch einen formalen Rahmen, der nicht mehr mit überzeugenden Inhalten gefüllt wird. Nach den Lehrbüchern, aus denen Schüler und Studenten Staatsrecht lernen, ist Deutschland nicht mehr ein sozialer Rechtsstaat: Laut Grundgesetz ist nämlich notwendige Bedingung für diesen, dass „zur Verwirklichung der rechtsstaatlichen Freiheit die dafür erforderlichen sozialen Voraussetzungen für alle geschaffen werden (Auftrag an den Gesetzgeber zur Herstellung sozialer Gerechtigkeit und zum Abbau sozialer Ungleichheit?“, A. Katz, Staatsrecht).

Je mehr die Realität und der Alltag der Menschen mit dem Anspruch des demokratischen Rechtsstaates und den Reden seiner Repräsentanten kollidieren, desto mehr muss kontrolliert, überwacht und repressiv ausgegrenzt werden. Mit Überzeugung für Demokratie eintreten hieße, diese Politik radikal zu ändern. Und das wird die politisch-wirtschaftliche „Oligarchie“ zu verhindern wissen – notfalls auch noch zulasten der formalen Demokratie.

GEORG RAMMER, Karlsruhe