: Dänische Justiz zieht Notbremse
Oberstes Gericht stoppt die Ausweisung von zwei Tunesiern aus Mangel an Beweisen
STOCKHOLM taz ■ Ein Schauprozess, bei dem das Urteil vorab feststeht und keine nachprüfbaren Beweise vorgelegt werden, hat in einer Demokratie keinen Platz. Diese Selbstverständlichkeit hat nun das oberste dänische Gericht (Højesteret) in einem Verfahren betont, bei dem es um die Ausweisung von zwei Tunesiern geht. Ihnen wird vom Verfassungsschutz ein angebliches Mordkomplott gegen einen der Zeichner der „Mohammed-Karikaturen“ vorgeworfen.
Doch bislang wurden dafür keine Beweise auf den Tisch gelegt. Denn wäre man dazu gezwungen, meint der Verfassungsschutz PET, könne dies den Informantenschutz gefährden und die künftige Zusammenarbeit mit ausländischen Diensten stören. Deshalb waren die Staatsanwaltschaft und der PET bislang nur bereit, die Schlussfolgerungen, die sie selbst aus den angeblichen Beweisen gezogen hatten, den Gerichten und Verteidigern zu präsentieren, nicht aber die Beweise selbst.
Zwei gerichtliche Instanzen hatten dies im Hinblick auf die „Sicherheit des Staates“ so akzeptiert. Doch das Højesteret zeigt hierfür kein Verständnis. Die neun RichterInnen kritisieren die Vorinstanzen dafür, dass sie sich mit bloßen Beweisbehauptungen hätten abspeisen lassen. Zudem hätten sie offenbar versäumt, in der Europäischen Menschenrechtskonvention nachzulesen.
Das Urteil sei ein Zeichen dafür, dass die dänische Justiz die Notbremse zieht, was das Aushebeln „grundlegender Rechtsprinzipien im Namen der Terrorbekämpfung angeht“, hofft die liberale Tageszeitung Politiken. Auch amnesty international ist zufrieden. „Ein Sieg für die Rechtssicherheit“, meint Claus Juul, juristischer Experte der dänischen Sektion. „Gerichtskontrolle muss mehr sein, als ungeprüft abzunicken, was der Verfassungsschutz vorlegt.“
Es wäre nicht das erste Mal, dass sich ein von PET als vermeintliche akute Terrorgefahr eingestufter Vorgang weitgehend in Luft auflöst, wenn es um gerichtsverwertbare Beweise geht. Daher wächst auch die Kritik am Antiterrorgesetz von 2002. Dieses hat, so der Juradozent Jonas Christoffersen von der Universität Kopenhagen, ein „hermetisches System“ geschaffen, in dem grundlegende Rechtsprinzipien nur beschränkt gelten sollen. Was tatsächlich hinter dem angeblichen Mordkomplott gegen den Mohammed-Karikaturisten Kurt Westergaard steht, ist unklar. Daran wird sich nichts ändern, solange PET keine Beweise vorlegt.
REINHARD WOLFF