: Polizei sägt Rote Flora auf
Nach einer frühmorgendlichen Auseinandersetzung, an der auch Gäste des linken Kulturzentrums im Hamburger Schanzenviertel beteiligt gewesen sein sollen, versucht ein Großaufgebot der Polizei, in das ehemalige Theater einzudringen
VON ANDREAS SPEIT
Helikopter kreisten am frühen Sonntagmorgen über dem Hamburger Schanzenviertel, Wasserwerfer rückten an. Behelmte Polizeibeamte sprangen aus Fahrzeugen, um sich Zugang zum linken Kulturzentrum „Rote Flora“ zu verschaffen. Es sah so aus, als würde der Spruch an einem Imbiss gegenüber in Erfüllung gehen. Dort steht: „Nur Wasserwerfer machen wacher“.
Die Polizei begründete ihren Einsatz damit, dass Täter, die bei einer Festnahme gegen Polizisten vorgegangen waren, in die Rote Flora geflohen seien. Um 5.45 Uhr sollen eine Frau und ein Mann auf der gegenüber liegenden Straßenseite in Streit geraten sein. Zu dieser Jahreszeit ist der Platz gegenüber der Roten Flora ein beliebter Treffpunkt, Streitereien zwischen Betrunkenen kommen häufiger vor. Der Mann und die Frau, so ein Polizeisprecher, hätten sich mit Reizgas (sie) und einem Messer (er) attackiert. Die herbeigerufene Polizei habe den Mann festgenommen. Aus der Roten Flora seien daraufhin Gäste herbeigeeilt und hätten die Polizisten mit Flaschen und Steinen beworfen. Dem Festgenommenen, der zur linken Szene gehöre, sei die Flucht gelungen.
Die Rote Flora erklärte dagegen, man habe der Frau helfen wollen, die von dem Mann angegriffen worden sei. Als die Polizei eingetroffen sei, habe sie nicht den Mann, sondern einen der Helfer aus der Roten Flora festgenommen.
Fest scheint jedenfalls zu stehen, dass anschließend Flaschen und Steine auf die Polizisten niedergingen, worauf diese sich zu ihren Einsatzwagen zurückzogen. Die Scheibe eines Einsatzwagens ging zu Bruch, die Glassplitter verletzten eine Polizistin. Die Polizei rückte darauf mit einem Großaufgebot an.
Die Seitentür der Roten Flora, in der bis zum Morgen eine Elektroparty stattfand, wurde jedoch nicht freiwillig aufgemacht. „Wir haben angeklopft, es wurde uns aber nicht geöffnet“, sagte Dienstgruppenleiter Jens Mollenhauer.
Die Polizei war mit 370 Beamten im Einsatz, sägte um 12 Uhr die Tür auf und nahm 13 Personen vorläufig fest. Längst hatten sich bis dahin auf der Piazza rund 250 Schaulustige und Sympathisanten der Roten Flora versammelt. „Haut ab“, riefen sie der Polizei entgegen und pfiffen, als die Festgenommenen abtransportiert wurden. Dass nach fast sechs Stunden die Gesuchten noch in der Flora seien, glaubte auf der Straße kaum einer. „Die wollten bloß zeigen was sie können“, meinte eine Frau.
Die Rote Flora, die 1998 von Autonomen besetzt worden war, war zuletzt vor dem G 8-Gipfel in Heiligendamm von der Polizei durchsucht worden. Dabei waren Computer sichergestellt worden. Ein Eindringen, um Personen zu verfolgen, habe es es bisher aber nur einmal gegeben, sagte ein älterer Rot-Florist. Das sei am 1. Mai 2000 gewesen, wo sich ebenfalls angebliche „Gewalttäter“ in die Flora zurückgezogen hätten. Die Polizei nutze die Gelegenheit, um sich „die Flora genauer anzuschauen“.
Vor der Roten Flora sollte am Sonntag nach Redaktionsschluss eine Demonstration gegen den Polizeieinsatz beginnen.