kabinenpredigt : Sarah BSC
Die Spieler von Hertha BSC sind zurzeit im ungeliebten Trainingslager, um an Kondition, Schnelligkeit und vielleicht sogar Ball- und Mannschaftsgefühl zu arbeiten. Dass Trainer Lucien Favre dieses ausgerechnet nach Österreich verlegt hat, lässt auf eine harte Linie für die kommende Saison schließen. Denn in Österreich, das konnten wir während der EM beobachten, regnet es ständig. Oder es ist schwül. Oder es blitzt und donnert. Na, verdient haben die Kicker es sicherlich.
Ich aber, ich kann es mir im Moment richtig gutgehen lassen. Das Wetter ist schön, die Arbeit wenig anstrengend, ich bin verliebt. Nur dass ein neunjähriger Neffe zu Besuch in der Stadt ist, macht das Leben ein klein wenig anstrengend. Weil uns langsam nichts anderes mehr einfällt, nehmen wir ihn mit zum Schwimmen. Da er aus der Provinz kommt, meiden wir das Prinzenbad, um ihn keinem Kulturschock auszusetzen, und nehmen stattdessen den langen Weg ins Olympiastadion auf uns. Dort schwimmen wir ein bisschen, das Kind springt 50-mal vom 5-Meter-Turm, ein paarmal vom 7,50-Meter-Brett und klettert einmal auf den Zehner, um zu sehen, wie es von dort oben aussieht. Hoch, berichtet es. Ich springe, weil ich eine nette Tante sein will, einmal vom Einer, und dann muss ich rauchen und mich ausruhen.
Als Erwachsener liegt man hier nicht auf der Wiese, sondern auf dem warmen Beton am Beckenrand. Ich halte mich an diese ungeschriebene Regel, und schaue mir Männer an. Dann entdecke ich Jürgen Röber, den Extrainer von Hertha BSC. Auch er lässt es sich gutgehen, schwimmt – ziemlich unengagiert – ein paar Bahnen und liegt ansonsten in seiner sympathischerweise völlig unmodernen Badehose in der Gegend rum. Gut sieht er aus, etwas moppelig vielleicht, aber mit der Arbeitslosigkeit sichtlich zufrieden. In einer Zeitung äußerte er sich zum Wunsch von Favre, in dieser Saison einen Uefa-Cup-Platz zu erreichen, gelassen. Soll er mal machen, sagte er. Klar, denn das hat Röber ja schon vor Jahren mit Hertha erreicht.
Wir zeigen dem Neffen unauffällig den Prominenten, er kennt ihn und ist sehr stolz, im selben Wasser wie ein großer Fußballtrainer zu schwimmen. Die nächsten Sprünge springt er nur für ihn und erträumt sich dann seine Karriere als künftiger Fußballprofi. Zu Hause ruft er seine Mama an und erzählt vom Tag. Röber ist das Highlight seiner Geschichte, Berlin und uns findet er noch toller als vorher. Ich sage Danke an Jürgen Röber, der auch lange nach seinem Ende bei Hertha noch Menschen glücklich machen kann. SARAH SCHMIDT