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Archiv-Artikel

Bilder sexueller Gewalt

Die Schauspielerinnen Maria Ketikidou, Nina Petri und Katja Studt haben sich für eine Kampagne des Notrufs für vergewaltigte Frauen und Mädchen mit Masken von Sexpuppen fotografieren lassen

VON KATRIN KESSLER

Die drei Schauspielerinnen sind nicht zu erkennen, ihnen sind in Fotomontage die Fratzen von Sexpuppen aufmontiert worden. Noch bis zum 14. Juli werden diese Plakatmotive in U-Bahnhöfen und an Litfaßsäulen in Hamburg und im Umland zu sehen sein. „Jede sexuelle Gewalt verletzt die Persönlichkeit“ ist in Großbuchstaben darauf eingraviert. Ganz unten, sehr klein geschrieben, schließlich Telefonnummer und Logo des „Notrufs für vergewaltigte Frauen und Mädchen e. V.“

Diplompsychologin Uta Boyksen gehört zum Notruf-Team. Sie berichtet davon, wie sie intern ausführlich diskutiert hätten, was die Plakat-Szenen im Betrachter auslösen könnten und welche Assoziationen nahe liegend seien. Sie kamen zu dem Schluss, dass die Plakate schockieren könnten. Die Szene mit Maria Ketikidou etwa: Eine Frau sitzt allein in einer Bar, sie blickt in den Spiegel hinter sich. Doch statt eines Gesichts gafft uns eine blauäugige Puppe mit weit aufgerissenem Mund an.

Abgesehen von der Darstellung an sich, sagt Boyksen, stelle sich für einige Betrachter grundsätzlich die Frage: „Darf eine Frau alleine weg gehen?“ Die Beraterinnen mussten sich also fragen, welche Aussage sie mit diesem Bild transportieren wollten.

Die Psychologin erzählt von zwei vergewaltigten Frauen, die sich an den Notruf gewandt hatten und denen die Plakate und deren Aussage gefallen. „Das zeigt genau, wie ich mich gefühlt habe nach der Tat“, habe eine von ihnen spontan gesagt. „Ich sehe mich im Spiegel an und erkenne mich nicht wieder.“

Diese Einschätzung, dass die Plakate einen Teil der inneren Wirklichkeit einer vergewaltigten Frau abbilden, bestätigt die Frauen vom Notruf darin, dass ihre Kampagne „Sexuelle Gewalt im Blick“ richtig ist. „Vergewaltigung ist ein Gewaltdelikt. Es geht darum, den Gewaltanteil dieses Verbrechens deutlich zu machen“, sagt Uta Boyksen.

Es sei immer auch eine Erfahrung von verletzter Sexualität: Vergewaltigte Frauen fragten sich: „Wie bin ich zum Objekt gemacht worden?“ Für Außenstehende seien die seelischen Verletzungen nicht zu sehen. Die Opfer bräuchten jedoch dringend Unterstützung. In letzter Zeit meldeten sich in ihrer Beratungsstelle vermehrt Angehörige von Opfern sexueller Gewalt. Die Aufmerksamkeit für das Thema sei gestiegen.

Gefragt nach den Auswirkungen des alltäglichen Sexismus auf ihre heute 13-jährigen Zwillingstöchter, erzählt Schauspielerin Nina Petri eine Anekdote über deren Wahrnehmung vom Erwachsensein. Auf das Plakat mit einer barbusigen Frau, die sich zu einem Autofahrer beugte, reagierten ihre damals drei- bis vierjährigen Töchter mit Abwehr. „Die Kinder sahen das und sagten, sie möchten nicht gerne erwachsen werden. Sie wollten keinen Busen kriegen, weil man überall nur den Busen sehen würde. Das fanden sie schrecklich.“ Sie hätten dieses sexistische Bild von Frauen von sich aus ganz beschämend gefunden.

Ob die Kampagne von Frauen und Männern unterschiedlich wahrgenommen werden wird? Schauspielerin Katja Studt mutmaßt, dass Männer noch geschockter sein könnten als Frauen, wenn sie auf den Plakaten eine Gummipuppe sähen und dann erführen, dass es um den Notruf für vergewaltigte Frauen gehe. Schließlich könne es sein, dass sie bei den Gummipuppen zuerst an Sex gedacht hätten.

www.sexuelle-gewalt-im-blick.de