: Kulturelle Kärrnerarbeit
Nach einem Jahr im Amt hat die neue sozialdemokratische Kulturressortspitze viele brachliegende Baustellen bearbeitet. Neben dem Finanzgebaren hat sich auch der Kommunikationsstil verändert
Von Henning Bleyl
Seinen bislang spektakulärsten kulturpolitischen Coup landete Jens Böhrnsen nicht als Kultursenator, sondern als Bürgermeister: das (Rat-)Hausverbot für Dieter Bohlen. Noch die letzte Amtshandlung vor Böhrnsens gestern begonnener Sommerpause besteht in einem Interview für „Antenne Bayern“, Böhrnsen begründet zum hundertsten Mal den Platzverweis für die „Superstar“-Sendung.
Böhrnsens originär kulturpolitischen Aktionen wird weit weniger mediale Aufmerksamkeit zuteil, dabei können sie sich durchaus sehen lassen: Die beiden großen Orchester haben, nach langen Hängepartien, jeweils fünfjährige Zuwendungsverträge bekommen. Der jahrelange Rechtsstreit mit dem Marcks-Haus um die Interpretation der Stiftungsurkunde ist beigelegt – 1969 hatte sich die Stadt darin zur Übernahme „aller laufenden Kosten“ verpflichtet – der Kunsthallenanbau hat es vom Koalitionsvertrag in den Real-Haushalt geschafft.
Vor allem die „Leuchttürme“ standen im Fokus des ersten Arbeitsjahres der sozialdemokratischen Ressortspitze, aber auch in den weniger kostenintensiven Bereichen ist Bewegung: Die zwölf Bremer Stellen des Freiwilligen Kulturjahres sind wider Erwarten gesichert, die Breminale soll auch im kommenden Jahr bezuschusst werden.
Hinter diesen Erfolgen steht nicht nur die Agilität der Kulturstaatsrätin Carmen Emigholz, sondern auch die Verknüpfung des Bürgermeisteramtes mit dem des Kultursenators. Das kameralistische Resultat dieser machtpolitisch klugen Koppelung: Der aktuelle Doppelhaushalt weist mit rund 70 Millionen Euro mehr Geld für Kultur auf als sein von der großen Koalition verabschiedeter Vorgänger. Wobei das eigentlich Bemerkenswerte nicht das moderate Plus von 300.000 Euro darstellt, sondern der Umstand, dass das Geld nicht weniger wurde.
Einige Einrichtungen müssen auf konkrete Auswirkungen des von Böhrnsen jetzt in Gestalt von „Transparenz, Vertrauen und Planungssicherheit“ diagnostizierten „Klimawandels“ freilich noch warten: Das Konzept der Schwankhalle macht dem Namen des Hauses nach wie vor Ehre, die endgültige Bleibe von „Kino 46“ samt Medienzentrum ist ungeklärt. Das Museum Weserburg soll 2008 erstmals schwarze Zahlen schreiben, ist aber noch lange nicht über den Berg: Für den Herbst kündigt Emigholz ein neues Gesamtkonzept an, das sowohl marketingtechnische, betriebswirtschaftliche als auch – noch nicht näher benannte – inhaltliche Aspekte umfasse.
Die größte Baustelle ist freilich die Behörde selbst: Sie habe den zum Stillstand gekommenen Prozess der Reorganisation unmittelbar nach Amtsantritt „wieder in Gang gesetzt“ sagt Emigholz. Jetzt stehe die „Grobstruktur“, bis zum Spätherbst soll das auch für sämtliche Stellenbeschreibungen gelten. Im Gegensatz zu dem lange von den christdemokratischen Kultursenatoren favorisierten „Zwei Säulen-Modell“ mit getrennten betriebswirtschaftlichen und fachlichen Verantwortlichkeiten hat sich die SPD für einen klassischen Verwaltungsaufbau nach Referaten entschieden. Der schon mehrfach ausgeschriebene Posten des Abteilungsleiters ist freilich noch unbesetzt, mittlerweile stehen fünf KandidatInnen in der engeren Auswahl.
Zweifellos hat die SPD ihr Wahlversprechen eingelöst, den finanzpolitischen Flickenteppich der Kulturförderung zu vereinheitlichen. Dass Emigholz seit kurzem Aufsichtsrats-Chefin der „Glocke“ ist, hat sie freilich eher personellen Zufällen zu verdanken: Mehr als fünf solcher Mandate darf kein Senator oder Staatsrat annehmen, die Spitze der Wirtschaftsbehörde – wo das Konzerthaus via HVG (Hanseatische Veranstaltungsgesellschaft) immer noch ressortiert – waren jedoch bereits bedient.
Wie also steht es mit der gegenseitigen „Kannibalisierung“ der Bremer Veranstaltungsstätten, die „Glocke“-Geschäftsführer Jörg Ehntholt vor kurzem öffentlich beklagte? Emigholz will die verschiedenen Interessenslagen und Konkurrenzen „in Ruhe“ klären. Überschneidungen gibt es nicht zuletzt mit den neuen Veranstaltungsformaten des Bremer Theaters.
Auch dessen positiver Jahresabschluss steht für Böhrnsen auf der Haben-Seite: Bei der kürzlich erfolgten Verleihung des Hübner-Preises der „Theaterfreunde“ freute er sich, dass die „niemals zusammen gehörenden“ Begriffe „Insolvenz“ und „Theater“ nicht mehr in einem Atemzug zu hören sind. Freilich zählt ausgerechnet der frisch gekürte Preisträger Benjamin Bruns zu denen, die wegen des immensen Drucks im Theaterkessel von ihrem Sonderkündigungsrecht Gebrauch gemacht haben.