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Archiv-Artikel

Stratmanns neue Museenwelt

Mit der Ankündigung, die Museumslandschaft in Niedersachsen neu zu ordnen, sorgt Niedersachsens CDU-Kulturminister Lutz Stratmann für Wirbel. Um ihre Schätze sorgen sich dabei vor allem Braunschweig und Hannover. Eine alte Feindschaft bricht auf

EIN HAMBURGER ZUM MUSEUMSSTREIT

Rolf Wiese, Leiter des Studienangebots Museumsmanagement an der Uni Hamburg, hält eine neue Museumsstruktur in Niedersachsen für unumgänglich: „Der Bestand in den Landesmuseen ist wie in einem Gemischtwarenladen, der in über hundert Jahren gewachsen ist.“ Sammlungsbereiche zu konzentrieren, bedeute Energien zu bündeln – vor allem für das wissenschaftliche Arbeiten. Dies könne nicht ohne Personalabbau ablaufen. Niedersachsens Museen müssten besser werden, sagt Wiese. „Hannover steht zwischen dem hoch attraktiven Wolfsburg und Bremen, auch Hamburg rüstet seine Museen auf.“ Entscheidend sei, dass die Strukturreform „nicht zwangsweise von oben durchgesetzt“ werde. Auch der finanzielle Aspekt sei noch strittig: „Wenn Herr Stratmann das so umsetzen möchte wie angekündigt, wird auch langfristig mehr Geld nötig sein.“  WAC

VON RABEA WACHSMANN UND KAI SCHÖNEBERG

Lutz Stratmann versteht die ganze Aufregung nicht. Mit seinem Vorhaben, den Landesmuseen in Hannover, Braunschweig und Oldenburg Schwerpunkte zu verpassen, wolle er den Häusern doch nur „eine viel größere Strahlkraft verleihen“, sagt der CDU-Kulturminister.

Die Betroffenen zweifeln stark an Stratmanns Strahlkraft. Der Streit um die neue Museumswelt des Ministers schlägt Wellen, die uralte Feindschaft zwischen Braunschweig und Hannover weitet sich derzeit zum Kampf um die Kultur aus. Seit Tagen bekriegen sich die Streithähne über ihre Lokalblätter, inklusive wilder Spekulationen über die neue Museumslandschaft in Niedersachsen. So konnten die Leser der Braunschweiger Zeitung (BZ) sogar in einem Online-Ted über einen möglichen Abzug von Vermeers Gemälde „Mädchen mit dem Weinglas“ aus dem Anton-Ulrich-Museum abstimmen. Satte 98 Prozent votierten, wen wundert’s, dagegen, dass der Vermeer nach Hannover kommt. Dabei hatte davon niemand gesprochen.

Die Hannoversche Allgemeine Zeitung wiederum fürchtete um den „Roten Franz“, die Moorleiche im Landesmuseum. „Wulff lässt Hannover bluten“, titelte auch die Neue Presse aus der Landeshauptstadt. Die Kulturszene sei „entsetzt“, weil der Ministerpräsident kurzerhand bei den Etatberatungen für das kommende Jahr die bereits zugesagten 12,5 Millionen Euro für den Ausbau des Sprengel-Museums gestrichen hatte. Gleichzeitig lobte der Regierungschef, sichtlich genervt vom medialen Säbelrasseln der BZ, die Braunschweiger Museen über den grünen Klee.

Von „Profilbildung“ spricht der zwischen die rivalisierenden Städte geratene Stratmann: Die Schwerpunkte in den Häusern, in Hannover die Landesgalerie und in Braunschweig die Archäologie, sollten „geschärft“ werden. Hannover bekäme damit den Schwerpunkt für bildende Kunst, Braunschweig und Oldenburg die Archäologie, für Göttingen ist ein Haus der Ethnologie im Gespräch. Außerdem plant der Minister, das Landesmuseum Braunschweig und weitere Institutionen einer neuen Behörde zu unterstellen, dem Institut für Archäologie – mit Sitz im fernen Hannover.

Ein Schlag gegen die Region um die Oker. So sieht das Landesbischof Friedrich Weber: „Das geht an die Wurzel.“ Stratmanns Politikstil sei „museumsreif“ und sogar unvereinbar mit der Landesverfassung, findet auch die Grünen-Abgeordnete Gabriele Heinen-Kljajic. Die BZ druckte Paragraph 72 auf der Titelseite ab. Drin steht, dass „die heimatgebundenen Einrichtungen der ehemaligen Länder weiterhin dem heimatlichen Interesse dienstbar zu machen und zu erhalten sind“. Also: Keine Zentralisierung im landsmannschaftlich zusammengewürfelten Niedersachsen.

Die kulturpolitische Sprecherin der SPD, Daniela Krause-Behrens, wettert aus hannoverscher Perspektive: „Wenn man sich eine Archäologie-Sammlung ansehen möchte und dazu nach Braunschweig fahren muss, ist das nicht sinnvoll, sondern museumspädagogisch und marketingstrategisch für die Stadt Hannover kontraproduktiv.“

Ministeriumssprecher Kurt Neubert spricht von „Legendenbildung“: Niemand bekomme etwas weggenommen. Und: „Wenn ein Haus sagt, das haben unsere Besucher besonders lieb gewonnen, können sie dies natürlich behalten.“ Aber nicht jedes Haus müsse einen ganzen „Bauchladen“ anbieten.

Die Meinungen in Braunschweiger Museumskreisen sind einhellig. Der Direktor des Landesmuseums Braunschweig, der aus der Zeitung von seiner Entmachtung erfuhr, möchte sich partout nicht äußern. Der betriebswirtschaftliche Leiter des Niedersächsischen Landesmuseum Braunschweig, Rainer Sander, kommentiert knapp: „Die Diskussion besteht seit langem, von der konkreten Ausgestaltung haben wir eher kurzfristig erfahren.“ Der Personalrat der Braunschweiger Museen wurde deutlicher: „Die bewusste Nicht-Information des Ministeriums bewirkte bei den Kollegen weitreichende Befürchtungen und Ängste um ihre Arbeitsplätze.“

Gestern dann eine Art Befreiungsschlag: Stratmann versuchte beim Besuch in der Höhle des Braunschweiger Löwen, Missverständnisse auszuräumen: „An den Institutionen wird sich nichts ändern“, versprach der Minister in Anwesenheit von OB Gert Hoffmann. Bei seinem Konzept sei es nur um die „das Stärken von Stärken“ gegangen. Das hörte Hoffmann gerne: Das Braunschweiger Landesmuseum sei „der Ort für kulturelle Identifikation, für Integration. Dieser Ort muss nicht nur erhalten werden, er muss sich weiterentwickeln können.“