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Archiv-Artikel

Drinnen Luft, draußen Lärm

Die meisten halten sich treu und brav an das seit 1. Juli Bußgeld-bewährte Rauchverbot. Doch weil jetzt sehr viel mehr vor den Kneipen gequalmt wird, droht neuer Ärger – mit den Nachbarn

von Jan Zier

Rein und klar ist die Luft dieser Tage im „Heartbreak Hotel“. Ganz ungewohnt. „Fast schon unangenehm“, sagt einer, der regelmäßig hierher kommt. Viele BesucherInnen der kaum 30 Quadratmeter kleinen Einraumkneipe im Fehrfeld sind Stammgäste. Und rauchen. Genauso wie die meisten Leute hinterm Tresen. Spätestens ab elf Uhr abends war die Luft hier drin meist stickig, der Laden mit manchmal 70 Menschen hoffnungslos überfüllt. Und völlig verraucht. Bis zur vergangenen Woche.

Nun stehen sie vor der offenen Tür, benutzen den „großen Aschenbecher“ auf dem Gehweg. An manch einem Abend sind fast 30 Menschen vor, aber keine 20 in der Kneipe versammelt. Ihr Bier haben sie mit nach draußen genommen, und nebenan, vor dem „Römer“, dem „Urlaub“, da stehen sie auch. Wer sich innen drin eine Zigarette anstecken will, der wird vertrieben. Notfalls mit freundlichem Nachdruck. Da gibt es kein Pardon mehr.

Freilich war das Rauchen hier schon seit Jahresbeginn verboten, geändert hatte sich nichts – solange keine Bußgelder drohten. Doch seit dem 1. Juli muss bis zu 500 Euro zahlen, wer verbotswidrig qualmt. Maximal 2.500 Euro werden fällig, „wenn Betriebsverantwortliche ihre Pflichten nach dem Nichtraucherschutzgesetz vernachlässigen“. Sagt das Gesetz. Anfang des Monats war Felix Grundmann, der Wirt des „Heartbreak Hotel“, noch großzügig. Doch inzwischen war das Stadtamt schon mehrmals da – obwohl sie bis zuletzt „keine besonderen Kontrollen“ in Aussicht gestellt hatten. Weitere Stichproben sind jetzt angekündigt.

Einen Wirt hat es schon getroffen: Er duldete das Rauchen weiterhin. Und geriet in eine Schwerpunkt-Aktion, bei der das Stadtamt vergangene Woche in Oster- und Steintor 70 Betriebe kontrollierte. Jetzt muss der Wirt mindestens 500 Euro zahlen, sagt Amtsleiter Hans-Jörg Wilkens, der sich ansonsten aber „zufrieden“ zeigt, gerade mit Blick auf die Eckneipen. Zwar hätten einige Wirte „ermahnt“ werden müssen, doch wer sich „einsichtig“ zeigte, kam bislang ohne Anzeige davon. Eine Hotline im Stadtamt, Abteilung „Allgemeine Ordnungswidrigkeiten“ haben sie jetzt auch, ein halbes, manchmal auch ein ganzes Dutzend Hinweise gehen dort täglich ein, sagt Wilkens. Die meisten seien „aufklärend“– nicht denunzierend. Und hätten keine Anzeige zur Folge.

Mancherorts erntet diese Politik harte Kritik: „Ein Rauchverbot in Kneipen führt nicht zum Sterben der Kneipen“, heißt es auf der Homepage des Meisenfrei Blues Club. „Es verbietet Kneipen.“ In „blindem rücksichtlosem Eifer“ werde hier eine „Kulturform des Volkes“ verboten: „Das trägt schon gewaltige faschistische Züge in sich.“

Aber nicht überall ist der Widerstand so vehement: Im „Eisen“ am Sielwall etwa läuft alles „ganz easy“, sagt der Wirt, die Gäste zeigten sich „einsichtig“, wer rauchen will, verziehe sich auf die Straße. Wo sich neben den Kippen jetzt auch die Glasscherben häufen. Mit den Nachbarn wird es deshalb „sicher noch Probleme“ geben, sagen sie im „Eisen“. Noch gab es keine Anwohnerbeschwerden, doch das ist „nur eine Frage der Zeit“, sagt auch Grundmann. Der Lärm auf der Straße nimmt zu, auch wenn die Musik, die durch die offenen Kneipentüren nach draußen dringt, jetzt durchweg leiser gedreht wird.

Ob der Umsatz zurückgeht – da sind die meisten Wirte einig – wird sich erst im Herbst zeigen, wenn auch die RaucherInnen nicht mehr so gerne auf der Straße stehen. Menschen wie „Charly“, der schon seit 40 Jahren im „Haltepunkt“ vor dem Steintor aus und ein geht. Seine Stimme ist rauchig, sein Tabak billig, seine Zigaretten selbst gedreht. Gleich drei davon hat er fein säuberlich vorbereitet, dann geht er mit seinem Bier nach draußen. Aber im Winter? „Rauchen kann ich auch zu Hause.“ Bier trinken auch. „Es wird schwer werden, den Laden zu halten“, sagt die Frau hinterm Tresen, die den Job schon seit zehn Jahren macht. „Wir werden ums Überleben kämpfen.“

Anderswo, im gediegenen „Ratskeller“ etwa, der trotz Nebenräumen inzwischen ein reines Nichtraucherhaus ist, macht man indes „sehr positive Erfahrungen“ mit dem Rauchverbot – obwohl hier sehr wohl auch Stammtische mit Stark-RaucherInnen ihren Sitz haben.

Thomas Schlüter, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) in Bremen, warnt schon seit einem Jahr davor, dass die Umsätze „massiv in den Keller“ gehen würden. Noch hat er keinen Beleg dafür, „keine seriösen Zahlen“. Nur im „Piano“ nahe des Sielwallecks wagt man eine erste vorsichtige Schätzung, die Einbußen werden auf „gut zehn Prozent“ beziffert. Das Rauchverbot halten sie sowieso für „Blödsinn“, haben nach eigenem Bekunden „immer wieder“ auch mal „harte Auseinandersetzungen“ mit renitenten RaucherInnen. Doch die meisten gehen eben nach draußen, und überhaupt sitzen jetzt sehr viel mehr Gäste sehr viel länger draußen, ist sowohl im „Piano“ als auch an der Schlachte zu hören.

Nicht wenige Bremer Wirte setzen auf das Bundesverfassungsgericht, dass am 30. Juli sein Urteil zum Rauchverbot verkünden wird. Im Verfahren geht es zwar um die Verfassungsbeschwerden zweier Wirte aus Berlin und Tübingen, doch die Entscheidung wird „exemplarisch“ sein, wie Gerichtspräsident Hans-Jürgen Papier bereits erklärt hat.

Sollte Karlsruhe ihm nicht helfen, sagt Grundmann, wird er vielleicht doch noch umbauen. Um rechtzeitig zur kalten Jahreszeit einen zweiten Raum zu schaffen, in dem dann noch geraucht werden darf. Wenigstens wird er eine Nebelmaschine anschaffen. Weniger wegen des verqualmten Flairs – sondern um den latenten Schweißgeruch zu übertünchen, der jetzt, an schwülwarmen Sommerabenden, bisweilen doch sehr viel durchdringender ist.